Kapitel 9 – „Das waren andere Zeiten“ – Geordi La Forge und ein paar Einsichten über die Familie

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Steckbrief
Vorangegangene Serie(n): TNG (Season 1 – 7); VOY (1 Episode)
Filme: Star Trek VII – X
Auftauchen in PICARD: Staffel 3
Spezies: Mensch
Geboren: 2335, Mogadishu, Somalia, Afrikanische Konföderation, Erde
Eltern: Silva La Forge; Edward M. La Forge
Rolle in PICARD: ehemaliger Chefingenieur der U.S.S. Enterprise-D/-E (2365 – 2381); ehemaliger Leiter der Utopia Planitia-Flottenwerften (2381 – 2385); nun Leiter des Flottenmuseums
Kind(er): Alandra La Forge; Sidney La Forge
Schauspieler: LeVar Burton

 

Geordi La Forge gehörte zum festen Aufgebot in TNG. Er war nicht bloß ein brillanter Ingenieur, der bewies, dass man sich durch Tüchtigkeit und Begeisterung für die Sache hocharbeiten kann. La Forge entpuppte sich als wahrer Kollege und Kamerad, auf den jederzeit Verlass war und der gerade seinem androiden Freund Data stets zur Seite stand. Zugleich stand er in bislang bei Star Trek ungekannter Weise für das Thema Diversität und Inklusion – aber war er denn nun behindert oder nicht vielmehr ‚upgegradet‘? In PICARD stößt ein stark veränderter Geordi La Forge als letztes Mitglied des TNG-Hauptcasts zurück zu seinen einstigen Freunden von der Enterprise. Wir wollen ihn uns einmal genauer ansehen.

 

Wer war La Forge in TNG?

Geordi La Forge wuchs zusammen mit seiner Schwester Ariana als Kind zweier Sternenflotten-Offiziere, Silva und Edward La Forge, auf und folgte ihnen nach, indem er selbst eine Laufbahn in der Sternenflotte einschlug (TNG 5×24; 7×03). Das Erlebnis, als fünfjähriger Junge allein in seinem brennenden Elternhaus eingeschlossen zu sein, verfolgte ihn noch für lange Zeit, und als Kind und Jugendlicher litt er unter ausgeprägten Ängsten (TNG 5×11). Hinzu kam der Umstand, dass Silva und Edward sich aufgrund verschiedener Missionen bei seiner Erziehung abwechseln mussten, sodass er zumeist nur bei einem Elternteil aufwuchs. Häufige Umzüge, unsteter Kontakt sowie die wiederkehrende Trennung von seinen Eltern verstärkten beim jungen Geordi das Gefühl von Einsamkeit; obwohl höflich und ausgeglichen, entwickelte er sich zu einem Einzelgänger (TNG 5×22). Wenig deutet darauf hin, dass die Verbindung zwischen ihm und seiner Schwester besonders eng war.

In TNG erfuhren wir, dass La Forge nach dem Abschluss der Akademie zunächst auf der U.S.S. Victory stationiert war, woher er u.a. Susanna Leijten kennt, mit der er sich anfreundete (TNG 4×18). Später wurde er der U.S.S. Hood unter Captain Robert DeSoto zugewiesen, auf der auch William Riker diente (TNG 1×01). Da La Forge aber nicht der Führungscrew angehörte, lernten er und Riker einander nicht gut persönlich kennen. Während einer Mission traf Captain Jean-Luc Picard erstmals auf den jungen Junior-Lieutenant La Forge, der ihn wegen seiner technischen Fertigkeiten und seines Improvisationstalents tief beeindruckte. Kurz darauf forderte er ihn für sein nächstes Kommando an Bord der Enterprise-D an, eines zu diesem Zeitpunkt vollkommen neuartigen Explorers der Galaxy-Klasse (TNG 5×24). Picard, der La Forges enormes Potenzial erkannte, sollte mit seiner Einschätzung Recht behalten: Mit Unterstützung seines Captains machte er allzu rasch Karriere auf der Enterprise. So rückte der Mann afrikanischer Abstammung, der zu Beginn noch die Navigationsstation hütete, aufgrund seiner Expertise für Antriebstechnologie bereits in der zweiten Staffel zum Cheftechniker der Enterprise auf. Dort vollbrachte er Leistungen, die ihn – in bester Tradition von Montgomery Scott – rasch zu einem Wunderwerker der neuen Generation werden ließen. Allerdings war er dabei stets ganz seriöser Wissenschaftler; systematisch, methodisch, akkurat. Zu seinen großen Erfolgen zählen u.a. die Rettung der Enterprise vor der drohenden Zerstörung durch die Auswirkungen iconianischer Technologie (TNG 2×11), die Befreiung des Schiffes aus einer Energiefalle aus der Zeit des Promellianisch-Metharianischen Krieges (TNG 3×06), die Rettung Captain Picards von den Borg inklusive der Vereitelung ihrer Invasion (TNG 4×01) oder die Entwicklung eines experimentellen Tachyon-Gitters, um während des klingonischen Bürgerkriegs die heimliche Unterstützung der Romulaner für das Haus Duras auffliegen zu lassen (TNG 5×01).

Von Geburt an blind, erhielt La Forge – erstmals im Alter von fünf Jahren – sein Augenlicht mithilfe einer postmodernen Sehhilfe namens VISOR (Abkürzung für ‚Visual Instrument and Sensory Organ Replacement‘). Damit war zum ersten Mal eine Person mit offensichtlicher Behinderung, aber zugleich auch technologischer Erweiterung in einem Star Trek-Cast vertreten. Der VISOR ermöglichte La Forge zwar, die Umgebung anders und teilweise mit einem klaren Mehr an Informationen wahrzunehmen (Sehen in verschiedenen Spektren), allerdings verursachte er regelmäßig schwere Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, die ein ständiger Begleiter in seinem Leben wurden (TNG 1×01; 1×02; 5×11; 5×18). Erst um 2372 erhielt La Forge aufgrund des medizinischen Fortschritts spezielle kybernetische Implantate, sodass er nicht mehr auf den VISOR angewiesen war. Dennoch erlaubten ihm die neuen Implantate, wie mit dem VISOR weit mehr als nur den sichtbaren Bereich des Lichts erfassen und damit viele Funktionen des einstigen Sehgeräts weiterhin zu nutzen (VIII: Der Erste Kontakt).

Zu Serienzeiten blieb La Forge charakterlich eine recht konstante Persönlichkeit. Er erwies sich als durch und durch angenehmer, entspannter Zeitgenosse, der prinzipiell versuchte, mit allen um ihn herum ein kameradschaftliches Arbeitsverhältnis zu pflegen, doch in der Gesellschaft des Androiden Data fühlte er sich zweifellos am wohlsten. Abseits ihrer gemeinsamen Abenteuer stand La Forge Data bei Fragen des Menschseins und den Versuchen Datas, sich selbst besser zu begreifen, mit Rat und Tat zur Seite. Unvergessen sind auch ihre gemeinsamen Rollenspiele in mehreren Holodecksimulationen, allem voran von Sherlock-Holmes-Geschichten, in denen Data den Part von Holmes übernahm und La Forge Dr. Watson mimte (TNG 2×03; 6×12).

Dann hoffe ich, dass Sie fühlen – und zwar so vollumfänglich wie ein Mensch es nur fühlen kann –, was für ein Glücksgefühl ich empfinde, meinen Freund wiederzuhaben.“ – „Und es wäre nachlässig von mir, nicht zu sagen, dass trotz meiner ganzen Veränderungen das Eine, das für immer und ewig konstant bleiben wird, meine Dankbarkeit für Ihre Freundschaft ist.“ (Geordi La Forge und Data in PIC 3×08)

Auch mit dem jungen, hochbegabten Wesley Crusher freundete La Forge sich an, da er mit ihm seine Begeisterung für Wissenschaft und Technologie teilen konnte. Möglicherweise aufgrund seiner eigenen Tendenz, sich in fiktive Schauplätze und Szenarien zurückzuziehen, übernahm La Forge eine kameradschaftliche Fürsorge für den neurotischen und zugleich genialen Ingenieur Reginald Barclay, der unter einem exzessiven Holodeckeskapismus litt. Fortan war der Chefingenieur bemüht, seinen Untergebenen möglichst im realen Leben zu halten und mit ihm an seinem Selbstwertgefühl zu arbeiten (TNG 3×21; 4×19). La Forge zeigte also bei der Auswahl seiner wenigen Freunde eine klare Tendenz, ausgeprägte persönliche Gemeinsamkeiten zu suchen. Im Hinblick auf sein Liebesleben blieb La Forge in TNG indes eine weitgehend unerfüllte Person. Als relativ zurückgezogener und zudem verkopfter Mann fiel es ihm schwer, Romanzen einzugehen. Nicht immer erwiderten die Frauen, an denen er Interesse bekundete, seine Gefühle oder seine Rendezvous gingen schief, sodass er sich weiter zurückzog. Daher zeigte La Forge, wie bereits angedeutet, eine gewisse Affinität, mit modifizierten holografischen Nachbildungen echter Frauen Zeit zu verbringen, allem voran einer fiktiven Version von Dr. Leah Brahms, mit der er sogar bei der Lösung eines Problems zusammenarbeitete (TNG 3×06; 4×16). Ein tiefer Einschnitt in seinem Leben war der Verlust seiner Mutter, kurz nachdem diese das Kommando über die U.S.S. Hera übernommen hatte (TNG 7×03).

Wir haben nicht viel gemeinsam, Dad und ich, doch es fällt uns beiden schwer, Freunde zu finden. Aber wenn wir welche haben, sind sie uns wichtig.“ (Sidney La Forge in PIC 3×03)

Im Anschluss an die Zerstörung der Enterprise-D bei Veridian III erhielt Captain Picard das Kommando über das Nachfolgeschiff Enterprise-E der neuen Sovereign-Klasse und übernahm den Großteil seiner Mannschaft dorthin, darunter auch La Forge, der weiterhin in der Funktion des Chefingenieurs verblieb. An Bord der neuen Enterprise bestritt er mehrere große und schwierige Missionen. Darunter befand sich 2373 der Kampf gegen eine erneute Borg-Invasion, welche in ein Raum-Zeit-Paradoxon mündete. In dessen Verlauf begegnete La Forge seinem großen Idol Zefram Cochrane (Erfinder des Warpantriebs) und musste diesen gemeinsam mit William Riker und Deanna Troi überzeugen, seinen historischen Flug mit der Phoenix wie geplant durchzuführen. Da die Borg in die Zeitlinie eingegriffen hatten, sprangen Riker und La Forge als Cochranes Co-Piloten ein, was jedoch in den Geschichtsbüchern tunlichst verschwiegen wurde. Der Flug verlief erfolgreich und führte zum Ersten Kontakt mit den Vulkaniern, wodurch die geschundene Menschheit eine vollkommen neue Perspektive erhielt und die Föderation erst möglich wurde (VIII: Der Erste Kontakt). 2375 unterstützte La Forge Picard bei seinem eigenmächtigen Kurs, die Zwangsumsiedlung der Ba’ku zu verhindern. Während dieser Mission erfüllte sich einer seiner innigsten Wünsche, nämlich einmal mit eigenen Augen sehen zu können. Bei seinem Aufenthalt auf Ba’ku regenerierte sich sein Sehnerv; dieser Effekt hielt jedoch nach seinem Abflug nicht sehr lange an, und La Forge war wieder auf die Implantate angewiesen (IX: Der Aufstand). 2379 führte eine folgenschwere Mission die Enterprise nach Romulus, um dem neuen Prätor Shinzon die diplomatische Aufwartung zu machen. Shinzon entpuppte sich als Klon Jean-Luc Picards und schickte sich an, einen Präventivschlag gegen die Föderation zu starten. Nach einem erbitterten Kampf gegen sein Flaggschiff, die Scimitar, opferte sich Data zur Rettung der Enterprise und ihrer Crew. Dieser schwere Verlust würde La Forges weiteres Leben nachhaltig mitbestimmen; er würde noch lange am Tod seines androiden Freundes zu tragen haben.

 

Was hat La Forge seit Nemesis getan?

Nach dem Ende von Nemesis verblieb La Forge noch einige Jahre auf der Enterprise. Dann ging Picard 2381 aufgrund seiner Beförderung zum Oberkommandierenden über die romulanische Rettungsmission von Bord. Da sich rasch ein großes logistisches Problem abzeichnete, 900 Millionen Romulaner rechtzeitig umzusiedeln, bat Picard seinen bisherigen Chefingenieur, ebenfalls von seinem alten Posten auf der Enterprise Abschied zu nehmen, und betraute ihn mit einem vorübergehenden Leitungsposten in den Utopia Planitia-Flottenwerften. La Forge sollte dafür sorgen, dass möglichst rasch eine gewaltige Rettungsarmada bestehend aus abertausenden Schiffen vom Stapel laufen konnte. Zusammen mit seinen Kollegen kam er – notgedrungen – auf den Gedanken, dass nicht-empfindungsfähige Arbeitsandroiden die Lösung sein könnten. La Forge gelang es daraufhin, Dr. Bruce Maddox vom Daystrom-Institut für dieses Unterfangen zu gewinnen. Infolgedessen wurden die Daystrom-A500-Einheiten entwickelt und in die Massenproduktion gebracht. Unterstützt durch Heerscharen von Arbeitsandroiden, nahm die Produktion von Evakuierungs- und Umsiedlungsschiffen nun in beispiellosem Tempo Fahrt auf.

Er begann eine Nachricht an den einen Mann zu schreiben, von dem er wusste, dass er dazu in der Lage war. Bruce Maddox. Ich bin auf dem Mars. Ich muss Sie so schnell wie möglich sprechen. Während er die Nachricht abschickte, dachte er an Data und verspürte einen Anflug von Trauer. Plötzlich sehnte er sich nach seinem Freund. Diese neuen Androiden würden nicht wie Data sein. Niemand konnte ihn ersetzen. Sie würden etwas anderes sein. Genau das, was sie brauchten…aber nicht das, was er wollte. (Roman I)

2385, rund vier Jahre nach Beginn der Evakuierungsmission, stand Utopia Planitia erstmals davor, eine gigantische, nie dagewesen große Rettungsflotte aus Wallenberg-Einheiten fertigzustellen. Vorher kam es bei den Arbeitsandroiden jedoch zu einer ominösen Fehlfunktion, in deren Folge sie sämtliche Werftanlagen und damit fast die ganze Rettungsflotte vernichteten. La Forge überlebte dieses Inferno lediglich durch einen glücklichen Zufall.

La Forge starrte die schrecklichen Bilder aus dem Mars-Orbit an. Dort waren Schiffe zu sehen, die Hilfe leisten wollten. Doch dann wurde es plötzlich noch schlimmer. Irgendeine Art Kettenreaktion wurde ausgelöst. Es gab weitere Explosionen. Immer größere Teile der Werften wurden von der Feuersbrunst erfasst. […] Nicht vielen wurde die zweifelhafte Ehre zuteil, ihre Bemühungen der letzten fünf Jahre in Flammen aufgehen zu sehen. Er wurde in Echtzeit Zeuge, wie Freunde und Kollegen starben. Er musste mitansehen, wie die Nebenfertigungshalle in Fabrik 52 explodierte. Wenn er darüber nachdachte, hätte er wahrscheinlich genau sagen können, wer gerade Dienst hatte. Wer genau gestorben war. […] Es waren nicht nur die Werften. Es waren nicht nur die Schiffe. Es war alles. Es waren alle. Alle, mit denen er in den letzten Jahren zusammengearbeitet hatte. […] Dann entzündete sich die Stratosphäre des Mars. (Roman I)

Während Picard infolge dieser Entwicklung seinen Dienst quittierte und in den nächsten Jahren auch Riker und Troi aus der Sternenflotte ausschieden (Crusher hatte dies bereits getan), setzte La Forge seine eigene Karriere fort. Da er Anfang des 25. Jahrhunderts bis in den Rang eines Commodore aufgestiegen sein wird, ist anzunehmen, dass er im Zeitraum nach der romulanischen Supernova reichhaltig Kommandoerfahrung sammelte und sich weitere Sporen verdiente, ehe ihm – wahrscheinlich in Honorierung all seiner Leistungen – die Leitung des Sternenflotten-Museums bei Athan Prime übertragen worden ist (PIC 3×01). Es wirkt ein wenig wie die letzte Station vor dem Ruhestand, auf der sich La Forge voll und ganz der Würdigung der Vergangenheit widmen kann. Das Museum präsentiert nicht nur legendäre Schiffe, die aufpoliert wurden, sondern wohl auch interaktive Geschichtsreisen in unterschiedliche Epochen der Föderation. Damit ist es eine Anlaufstätte für Besucher aus der gesamten Planetenallianz und darüber hinaus. La Forge bekleidet damit ein sehr repräsentatives Amt, das im Lichte der Föderationsöffentlichkeit steht. Bei der Restaurierung der alten Schiffe legt der geborene Tüftler La Forge mitunter selbst Hand an. Wie er 2401 im Kreis seiner TNG-Freunde eröffnen wird, ist ihm ein besonderes Herzensanliegen die Wiederherstellung der Enterprise-D gewesen, deren Untertassensektion schließlich von Veridian III geborgen wurde. Da dieses Schiff enorm stark beschädigt worden war, dauerte die Instandsetzung viele Jahre. 2402 würde die Enterprise-D fester Bestandteil der Ausstellung legendärer Schiffe werden (PIC 3×09; 3×10).

La Forges vergleichsweise hohe Position in der Hierarchie der Sternenflotte spiegelt sich nicht nur in seiner Stellung als Direktor des Flottenmuseums wieder. Beispielsweise lässt er Picard bei ihrem Wiedersehen wissen, er habe dem Oberkommando mehrere Briefe geschrieben, in denen er – offenbar jedoch vergeblich – davor warnte, den Großteil der Flotte anlässlich des Frontier Day an einem Punkt zusammenzuziehen. Ferner bekommen wir in Season drei deutliche Hinweise darauf geboten, dass der ältere Geordi La Forge gerade in Ingenieurskreisen eine hochdekorierte Berühmtheit ist. So lässt sich Captain Liam Shaw ausgesprochen demütig vernehmen, welch große Ehre es ihm als ehemaliger Ingenieur sei, ihn an Bord der Titan begrüßen zu dürfen, und schämt sich sichtlich über La Forges verdrucksten Hinweis auf den ramponierten Zustand seines Schiffes (PIC 3×06).

 

La Forge hat in den letzten Jahrzehnten die große Karriere gemacht. © 2020-23 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

 

Inwiefern hat sich La Forge verändert – und warum?

In PICARD setzt er sich von seinen ehemaligen Freunden und Kameraden also erkennbar ab, da er in eine eigene Richtung weitergegangen ist, die ihm stabile und honorige Verhältnisse beschert hat. Wo seine einstigen Weggefährten freiwillig oder unfreiwillig einen harten Bruch mit ihrer Offiziersvergangenheit vollzogen haben, hat La Forge diese Phase nie kennengelernt. Im Gegenteil, er hat den Dienst stetig umarmt und sich kontinuierlich mit Fleiß, Disziplin und Einfallsreichtum hochgearbeitet. La Forge blieb stets ein durch und durch linientreuer Anhänger der Raumflotte. Auf diese Weise lässt sich vermutlich zum Teil erklären, weshalb der Geordi La Forge, der uns erstmals in PIC 3×06 wiederbegegnet, sich so verändert zu haben scheint. Als Picard – zu diesem Zeitpunkt bereits von der unterwanderten Sternenflotte verfolgt – ihn um seine Unterstützung bittet, Musiker, Riker und Worf von der Daystrom-Station zu retten, verweigert sich La Forge zunächst beharrlich. Dadurch erweckt er den Eindruck, ein ausgeprägter Prinzipienreiter geworden zu sein und, ausweislich seines Rangs, Regeln gegenüber persönlicher Loyalität den Vorzug zu geben. Sicherlich muss man La Forge zugutehalten, dass die Situation, in die er hineingerät bzw. in die er von Picard verwickelt wird, eine Überforderung bedeutet: Plötzlich tauchen Geister der Vergangenheit vor seiner Haustür auf und legen ihm in aller Eile Verdachtsmomente über eine tiefgreifende Verschwörung in der Sternenflotte dar. Hinzu kommt, dass Picard und die Titan von der Sternenflotte gesucht werden. La Forge tut sich somit verständlicherweise etwas schwer, die Lage in aller Kürze bewerten zu können. Doch jenseits dieses Problems argumentiert er auch auf einer emotionalen Schiene, nämlich mit dem Schutz seiner Familie. Dabei wirft er Picard vor, er habe seine Tochter Sidney (Ashlei Sharpe Chestnut) wissentlich in Gefahr gebracht, und er überredet seinen einstigen Captain sogar, Sidney an ihn zu überstellen, sie als „Komplizin wider Willen“ darzustellen und sodann mit der Titan abzufliegen. Glücklicherweise kommen die Dinge dann doch etwas anders, aber La Forges anfängliches Auftreten lässt in jedem Fall aufhorchen. Versuchen wir, dies ein wenig genauer zu ergründen.

Ich möchte Ihnen ja helfen, Jean-Luc. […] Aber im besten Fall komme ich dafür vors Militärgericht und im schlechtesten gerät meine Familie ins Fadenkreuz einer unterwanderten Sternenflotte.“ – „Geordi, es geht um Leben und Tod.“ – „Es geht immer um Leben und Tod. War es jemals anders? Und das war auch okay, damals, als ich mein Leben aus freien Stücken für Sie aufs Spiel gesetzt habe. Aber jetzt haben Sie wissentlich meine Tochter in große Gefahr gebracht.“ (Geordi La Forge und Jean-Luc Picard in PIC 3×06)

Die Erkenntnis, dass er Kinder bekommen hat, weiß uns mit dem erstmaligen Auftauchen seiner Tochter Sidney La Forge zu Beginn der Finalstaffel durchaus zu überraschen (PIC 3×01). Einige Folgen später lernen wir dann auch noch Sidneys Schwester Alandra (Mica Burton) kennen, die ebenfalls Mitglied der Sternenflotte ist. Während Sidney als Navigatorin an Bord der Titan tätig ist, wurde Alandra Ingenieurin wie ihr Vater. Privat hat sich also einiges im Leben exakt jenes Mannes getan, der in TNG noch wie ein hoffnungsloser ewiger Junggeselle anmutete. Wer mag die Frau sein, mit der La Forge letztlich durchs weitere Leben gegangen ist? Diese Frage bleibt, wie so manch andere, offen. Setzen wir voraus, dass Alandra und Sidney La Forge sich in einem ähnlichen Alter wie Jack Crusher befinden, dann können wir annehmen, dass sie um 2380 geboren wurden. In Nemesis fragte La Forge Guinan in einer kurzen Nebenszene, ob sie sich vorstellen könne, noch mal zu heiraten. La Forge wirkte hier etwas in Gedanken. Vor dem Hintergrund dessen, was wir wissen, ist anzunehmen, dass er hier bereits in einer Beziehung war und erwog, selbst zu heiraten. Kurz darauf wurde ihm das Familienglück beschieden. Nun kann man fragen, was es war, das seinen Wunsch, eine Familie zu gründen, beförderte? War es vielleicht sogar der Tod Datas, der in La Forge das Bedürfnis weckte, seinem anhaltenden Schmerz etwas entgegenzusetzen? Dahingehend könnte man seine eigene Aussage deuten, als er später unter Tränen versucht, im von Lore übernommenen Daystrom M-5-10 zu Datas Bewusstsein durchzudringen:

Data, ich bin ein besserer Mensch geworden… Dank Ihnen. Ja, wirklich, ein besserer Mensch, ein besserer Vater, ein besserer Freund.“ (Geordi La Forge in PIC 3×07)

Wie können wir umschreiben, was uns am älter gewordenen La Forge auffällt? Ganz sicher soviel: Er ist deutlich weniger locker und kollegial als früher, dafür angespannter, humorloser, regelkonformer, strenger und auch konservativer geworden (man denke nicht zuletzt an seinen brüsken Umgang mit Jack Crusher, um ihn von Sidney fernzuhalten). Infolgedessen geht er viel mehr auf Nummer sicher und scheut Risiken sichtlich, was zum einen mit seiner weiteren Karrieresozialisation und dem öffentlichkeitswirksamen Amt zu tun haben mag, aber eben auch mit einer beinahe übertrieben wirkenden Sorge um den Schutz seiner Töchter. Vor Picard beruft sich La Forge darauf, die Perspektive der Vaterschaft habe ihn nachhaltig verändert.

Damals auf der Enterprise habe ich trotz all der Gefahren, in die wir uns gestürzt haben, nie um mein Leben gefürchtet. Nie so wie ich jetzt um Sidneys fürchte. Jean-Luc, ich will Ihnen ja helfen. Nur kann ich Ihnen nicht helfen und meine Töchter beschützen. Es tut mir leid – aufrichtig.“ (Geordi La Forge in PIC 3×06)

Sicher ist nachvollziehbar, was La Forge ausführt. Seine Prioritäten haben sich im Laufe der Zeit schlicht gewandelt. Diesem La Forge geht es primär um seine Familie (die er, wie auch Riker und Troi, erst spät, ja unerwartet erhielt und damit wohl ein ganz besonderes Glück empfindet) und sein Leben, das er sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. Die Zeit auf der Enterprise war ihm ausgesprochen wichtig, aber sein Leben ging nun mal weiter. Doch selbst wenn ihm viel am Schutz von Alandra und Sidney liegt, erscheint sein Auftreten Picard gegenüber nicht selbstredend, denn Ungereimtheiten und Widersprüche sind erkennbar. Wieso hat er überhaupt zugelassen, dass ihm beide Töchter in die Sternenflotte folgten? Daran erinnert ihn Picard zu Recht. Gut, mag man einwenden, Alandra ist seine Assistentin und Kollegin und bleibt aus der Schusslinie potenziell gefährlicher Einsätze, was ‚Papa‘ La Forge womöglich durch seinen Sondereinfluss sichergestellt hat. Wahrscheinlich hätte er auch Sidney gerne lieber enger an sich gebunden, doch in ihrem Fall gelang ihm dies nicht. Seine zweite Tochter hat sich mit ihm überworfen und ihren eigenen Weg eingeschlagen. Sie wiederum hat keine Probleme damit, Risiken in Kauf zu nehmen, wenn es darum geht, das Richtige zu tun und für ihre Besatzung einzustehen. Mit dieser Einstellung entspricht sie viel eher dem jüngeren Selbst ihres Vaters, einem Mann, der abenteuerlustig und couragiert gewesen war. Man kann La Forges übersteigertes Bedürfnis nach der Sicherheit seiner Töchter auch insofern hinterfragen, als er doch vor seinen Kindern gewiss ein bestimmtes Vorbild abgeben möchte. Nur steht sein Beispiel eben im scharfen Kontrast zu seinen Jahren auf der Enterprise, die im Übrigen so manche Familie an Bord beförderte. Und es konfligiert auch mit La Forges eigener Lebensgeschichte, der er selbst in einer Sternenflotten-Familie aufgewachsen ist und folglich den gleichen Emanzipationsprozess, den Sidney gerade durchläuft, vor rund vier Dekaden durchgemacht haben dürfte.

La Forge offenbart ein seltsam ausgeprägtes Bedürfnis, die Dinge unter Kontrolle zu behalten, sich und auch seine Familie tunlichst keinen unberechenbaren Situationen auszusetzen. Als er sich zunächst quer stellt, Picard zu helfen, verlässt Alandra leicht frustriert den Konferenzraum und entschuldigt sich bei der wartenden Sidney. „Es tut mir leid.“, sagt sie. „Du weißt, wie stur er ist.“ Diese Aussage impliziert, dass seine Töchter – die erst in ihren frühen Zwanzigern sind – ihn als sturen Mann kennengelernt haben. Und La Forge selbst gibt gegenüber Picard später zu, Sidney habe ihre Eigenschaft, „stur wie sonst was“ zu sein, wohl von ihm geerbt. Was könnte wohl der Grund sein, dass La Forge sich zu einer so uneinsichtigen und risikoaversen Person verhärtet hat? Ist wirklich (nur) die Familie und sein Bestreben, sie zu protegieren, ausschlaggebend oder hat seine Motivation vielleicht noch einen anderen Ursprung? Es mag eine von mehreren möglichen Interpretationen sein, doch La Forge wirkt doch wie jemand, der mit Tod und Verlust, mit den harten und schweren Entscheidungen des Sternenflotten-Dienstes, nichts mehr zu tun haben will. Zunächst dürfen wir nicht vergessen, dass ihn Datas Verlust enorm beschäftigt und gezeichnet hat. Wir werden es aus seinem eigenen Mund hören, wie er dem Daystrom M-5-10 flehentlich und ergriffen sagt:

Data, ich weiß, dass Sie da drin sind, und Sie müssen mir einfach zuhören, weil das Leben einem selten die Chance gibt, etwas Wichtiges nachzuholen. […] Nach Ihrem Tod…bin ich innerlich zerbrochen. […] Aber Sie haben mich wieder in Ordnung gebracht, Sie haben mich repariert – durch die vielen Erinnerungen, die ich an Sie habe.“ (Geordi La Forge in PIC 3×07)

Die Verlusterfahrung in Bezug auf seinen besten Freund wird wenige Jahre ergänzt durch eine Verlusterfahrung in enormer Größenordnung. Immerhin musste La Forge mitansehen, wie während der Mars-Katastrophe abertausende seiner eigenen Ingenieure – und nebenbei alles, woran er gearbeitet hatte – getötet wurden (übrigens weit mehr als dereinst bei Wolf 359). Auch wenn sich anderthalb Dekaden später herausstellen sollte, dass die A500er durch eine Zhat Vash-Verschwörung manipuliert worden waren, so hat sich La Forge gewiss eine lange Zeit schwere Vorwürfe gemacht. Immerhin war auf seine Initiative und seinen Druck hin die Entwicklung der ‚Synths‘ überhaupt realisiert worden, und La Forge hatte die Führungsverantwortung für die zahlreichen Mitarbeiter auf Utopia Planitia getragen. Auch wenn man rational anführen mag, dass er nichts für das Inferno vom 5. April 2385 konnte, so geht eine derartige Erfahrung nicht spurlos an einem vorbei. Dieser Tiefschlag hat meines Erachtens La Forges Charakter bleibend deformiert. Noch in PIC 3×10 sehen wir, wie schwer es ihm fällt, eine Entscheidung zu treffen, bei der Leben geopfert werden, mögen es auch nur wenige sein. Parallel dazu gibt es noch eine andere Interpretationsschiene, mit der sich das Lebensgefühl des gealterten Geordi La Forge erklärt lässt. In ihm am Werke sind die Spuren seiner einsamen Kindheit und Jugend ohne Stetigkeit und Kontinuität. Es ist das Trauma des brennenden Hauses, in dem er – in der Wahrnehmung des damaligen Kindes – eine gefühlte Ewigkeit festsaß. Letztlich verlor La Forge auch noch seine Mutter. All dies weist ihn als einen Mann aus, der aufgrund seiner Verlustängste einfach nicht mehr allein sein will, ja der Angst hat vor dem Alleinsein. Deshalb drückt er Jene, die ihm lieb und teuer sind, so fest an sich.

Sidney gelingt es, ihn umzustimmen, wenngleich am Ende nicht nur durch Worte als auch durch Taten, und als La Forge sich seinen alten Freunden an Bord der Titan anschließt, zeichnet sich rasch ab, dass er in seinem Innern immer noch er selbst ist. Bei Lichte betrachtet spricht somit vieles dafür, dass La Forge sich einen harten Schutzpanzer zugelegt hat, der ihn vor dem intensiven Schmerz und der Furcht vergangener Tage abschirmen soll. Es widerstrebt ihm zutiefst, an diese einschneidenden Zeitpunkte seines Lebens erinnert zu werden. Das Ergebnis dieses Bedürfnisses nach Rückzug und Sicherheit ist eine verzerrte Wahrnehmung. Deshalb hält auch der Vorwurf an Picard, dieser habe Sidney in Gefahr gebracht, nicht stand. Picard hat im Ryton-System ja keinem leichtsinnigen Abenteuer nachgehangen, sondern die schwer verletzte Beverly Crusher und deren gemeinsamen Sohn aus einer lebensbedrohlichen Situation gerettet. Gerade das müsste La Forge doch verstehen, der sich als Familienoberhaupt geriert. Überhaupt ist seine Argumentation ziemlich dünn und fällt an verschiedenen Stellen in sich zusammen. Denn bei einer Wechselbalgverschwörung innerhalb der Sternenflotte nur die Hände in den Schoß zu legen, dürfte nicht verhindern, dass auch seine Familie früher oder später in Gefahr gerät. Für mich ist La Forge, ähnlich wie andere Figuren, in Folge des urpersönlichen Leidens, welches er erfahren hat, ein Stück weit sentimental geworden, was ihn – als Picard plötzlich bei Athan Prime erscheint – zu einer anfangs irrationalen Verhaltensweise animiert.

Schön ist dann wiederum zu verfolgen, wie La Forge einsieht, dass Sidney mit ihrem Standpunkt Recht gehabt hat. Auf diese Weise erkennt er sein eigenes jüngeres Ich in Sidney und muss einsehen, dass er seiner Tochter die gleichen Rechte zugestehen muss, die er damals auch für sich selbst in Anspruch genommen hat. Sidney macht ihm bewusst, dass der Begriff der Familie nicht bei der Biologie endet und es manchmal unvermeidbar ist, für eine Sache, die es wert ist, wenig kalkulierbare Risiken einzugehen. So ruft sie La Forge in Erinnerung, was er seinen Töchtern doch im Grunde seines Herzens mitgeben möchte. Ähnlich wie Data wird auch Geordi La Forge hier gewissermaßen ‚neu geboren‘, durchlebt erst eine Phase der Schwäche und des Zweifels, um dann wieder bereit zu sein, sich an der Seite seiner Freunde der Bedrohung am Horizont zu stellen.

 

La Forges Töchter sind recht verschieden. © 2020-23 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

 

Fazit: Ingenieur, repariere Dich selbst

Als letzte Figur des TNG-Hauptcasts kehrt in PICARD Geordi La Forge zurück. Wie sich zeigt, hat er in den vergangenen 22 Jahren enorme Veränderungen durchlaufen. Er ist die Karriereleiter der Sternenflotte emporgeklettert, sodass er nun hinter Picard der ranghöchste Offizier innerhalb der alten Enterprise-Crew ist. Viel wichtiger ist jedoch, dass er eine Familie gegründet hat. Das ist angesichts seiner Charakterzeichnung in TNG eine überraschende und äußerst positive Entwicklung. Dennoch schleppt La Forge, der einstmals so nüchterne, rationale und entspannte Chefingenieur, eine Menge emotionalen Ballast mit sich herum. Dieser scheint viel mit den tiefen Wunden zu tun zu haben, die er in verschiedenen Phasen seines Lebens davongetragen hat. Hierzu zählen neben seinen Kindheitserfahrungen ganz gewiss der Verlust Datas und der verheerende Mars-Zwischenfall. Dies schlägt sich unmittelbar auf das Verhältnis zu seinen Töchtern, insbesondere zur wagemutigen Sidney, nieder.

Wie sich jedoch zum Glück herausstellt, ist La Forge hinter seiner harten, verbohrten Schale, die er wie eine schützende Barriere um seine getrübte Seele errichtete, noch der alte. Es erscheint wie ein Akt der Selbstheilung, dass es gerade seine Tochter ist, die ihm die nötige Starthilfe liefert, um wieder auf alten Pfaden zu wandeln. Letztlich wird La Forge erkennen, wie richtig es gewesen ist, seine Angst abzustreifen, Picard zu helfen und ihm auf seine Mission zu folgen, ungeachtet ihrer Gefährlichkeit. Einmal mehr geht es dabei nicht nur um die Rettung der Föderation vor ihren schlimmsten Feinden, sondern genauso darum, zu sich selbst zu finden. Schon bald soll Geordi La Forge seinen treuen Freund Data zurückerhalten, und er soll angesichts seiner neuen Erfahrungen tatsächlich zu einem besseren Vater werden, der seinen Töchtern weitergibt, was ihn im Innersten ausmacht.

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