Steckbrief
Auftauchen in PICARD: Staffel 3
Spezies: Gründerin, genetisch verändert (u.a. mit Thelomium-847)
Geboren: unbekannt
Rolle in PICARD: Captain der Shrike; Anführerin einer Formwandler-Splittergruppe
Schauspielerin: Amanda Plummer
Zu Beginn der dritten Staffel stoßen Jean-Luc Picard und die U.S.S. Titan auf eine neue Widersacherin, die sie acht Episoden lang beschäftigt halten und vor große Herausforderungen stellen wird. Die Rede ist von der ebenso aggressiven wie atypischen Formwandlerin Vadic, die zusammen mit ihren Anhängern auf einem ausgemachten Feldzug gegen die Föderation unterwegs ist. Mit Fortgang der Handlung erfahren wir mehr über die ominöse Vadic, ihre Hintergründe und Motivation, und dennoch bleiben Fragen offen. In Schlüsselszenen macht sie verschiedene Andeutungen und irritierende Aussagen, aber vieles über sie verbleibt im Schatten. Zeit, etwas Licht hineinzubringen und ein paar Überlegungen anzustellen.
Wer ist Vadic?
Vadic ist ursprünglich eine Gründerin, entstammt also der Großen Verbindung (DS9 3×01; 3×02). Damit ist sie ein Abkömmling der mächtigen und entrückten Herrscher über das im Gamma-Quadranten ansässige Dominion, welches einst den Alpha-Quadranten mit einem beispiellosen Krieg überzogen hat, um die Föderation, die Klingonen und andere Völker zu unterwerfen. Jedoch haben wir es bei Vadic mit einer ungewöhnlichen Wechselbälgerin zu tun, die nur noch bedingt Gemeinsamkeiten mit ihrem Volk aufweist. Das gilt zum einen für ihre nicht unbeträchtlich veränderten biologischen Eigenschaften, zum anderen für ihre instabile, erratische und an Wahnsinn grenzende Persönlichkeit. Sie ist in jeder Hinsicht unberechenbar, manchmal scheinbar unsicher und fragil, dann kindlich-verspielt und zu Späßen aufgelegt, im nächsten Moment wieder aufbrausend, chauvinistisch und äußerst brutal. Diese Brutalität richtet sich nicht ausschließlich gegen ihre Feinde; gelegentlich trifft sie auch ihre eigenen Anhänger, wenn sie mit deren Leistung oder Verhalten unzufrieden ist. Sie teilt damit offensichtlich nicht den Grundsatz ihres Volkes, dass ein Wechselbälger einem anderen kein Leid zufügt. (Wir erinnern uns: In der DS9-Episode Das Urteil [4×26] widerfuhr Odo eine drakonische Strafe dafür, dass er einen anderen Gründer im Kampf getötet hatte.) In jedem Fall erfüllt Vadic viele Kriterien einer schwerwiegenden psychopatischen Störung. Es gibt Hinweise, dass sie von permanenten Schmerzen geplagt ist, was ein Grund sein kann, dass sie einen starken Hang zum Konsum rauchbarer Tabakerzeugnisse hat (womöglich Rauschgift?), stark wechselnden Launen unterworfen und streng rationalen Argumenten nicht richtig zugänglich ist.
Wie wir erfahren, ist Vadic nicht in Mission ihres Volkes unterwegs, sondern operiert seit geraumer Zeit auf eigene Faust und treibt ihre persönlichen Pläne voran. Picard wird sie später als „Henkerin in eigener Sache“ bezeichnen (PIC 3×07). Vadic fand ihren Weg in den Alpha-Quadranten kurz vor oder während des Dominion-Kriegs, wo sie sich seitdem größtenteils aufgehalten hat. Im Dunstkreis der Föderation hat sie sich im Laufe der Jahre als Kriminelle oder Kopfgeldjägerin verdingt, die zunehmend gefürchtet wurde und an Einfluss gewann. Das Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen ist die Shrike, ein hochpotentes Kriegsschiff mit einer Vielzahl tödlicher und teils illegaler Waffen, darunter isolytische Sprengköpfe, Plasma-Torpedos, Antimaterie-Raketen und Pulswellen-Waffen. Wie sie es erlangt und zu einem Vernichtungswerkzeug ausgebaut hat, ist unbekannt.
„Wir wissen beide, dass dies kein Schiff ist, sondern eine Guillotine.“ (William Riker in PIC 3×02)
Im Laufe der Zeit machten Gerüchte über die Shrike die Runde; beispielsweise haben die Fenris-Rangers von diesem Schiff gehört, doch der Sternenflotte blieb sie lange Zeit verborgen. Erst im Jahr 2401 tritt Vadic mit der Shrike offiziell in Erscheinung, als sie Kontakt mit der U.S.S. Titan herstellt, die zur Rettung von Admiral Picard, Captain William Riker und Jack Crusher in einen Nebel im Ryton-System (im Beta-Quadranten und knapp außerhalb des Föderationsraums) eindringt. Vadic bedroht Captain Liam Shaw und sein Schiff, sollte er Jack Crusher, an dem sie ein ausgeprägtes Interesse hat, nicht ausliefern (siehe Kapitel 10).
„Was wissen wir über diese Vadic?“ – „In der Sternenflotten-Datenbank kann ich nichts finden, aber es gibt Gerüchte über sie. Ein Schiff vergleichbaren Designs, das keine Kennung hat, aber alle der Sternenflotte bekannten Waffen…und noch weitere.“ (Liam Shaw und Seven of Nine in PIC 3×02)
In der Folge wird deutlich, dass Vadic sich bestens mit der Sternenflotte und deren Interna auskennt – weil sie sie unlängst mit ihren Anhängern unterwandert hat. So fällt ihr nach der Vorstellung Captain Shaws sofort dessen schwieriges psychologisches Profil in seiner Sternenflotten-Akte ein, und auch über Picard weiß sie, dass dieser sich in einem Golem-Körper befindet. Wie sich herausstellen wird, weiß Vadic noch weit mehr.
Warum wurde Vadic so wie sie ist?
Vadic gehörte zu einer unbekannten Zahl von Gestaltwandlern, die unmittelbar vor bzw. während des Dominion-Kriegs den Alpha-Quadranten infiltrierten. Bereits in DS9 haben wir gesehen, wie eine niedrige Zahl von Wechselbälgern beispielsweise die Erde aufsuchte, um dort heimliche Sabotageaktionen zu begehen (DS9 4×11; 4×12). Vadic geriet allerdings zusammen mit neun weiteren ihrer „Brüder und Schwestern“ in die Kriegsgefangenschaft klandestiner Elemente innerhalb der Sternenflotte. Unter Federführung von Sektion 31 wurden sie auf der Daystrom-Station – eine Hochsicherheitszone – festgehalten, wo sie im Rahmen einer geheimen Operation namens ‚Projekt Proteus‘ invasiven und äußerst qualvollen Experimenten unterzogen wurden. Die Absicht der Sternenflotten-Abteilung, die sie festhielt, bestand Vadic zufolge darin, eine biologische Weiterentwicklung der Wechselbälger herbeizuführen. Die neuen Formwandler sollten Anatomie, Physiologie und Zellbiologie jeder Spezies vollständig nachbilden sowie Blutuntersuchungen und andere Nachweismethoden wie Tiefenscans täuschen können. Sie sollten nahezu überhaupt nicht auf Regeneration angewiesen sein, also ihre Form möglichst lange halten können. Tatsächlich wird Beverly Crusher diese neuartigen Eigenschaften im Zuge der Obduktion an einem toten Wechselbalg ermitteln und bestätigen, insbesondere die Fähigkeit, Organe perfekt nachzubilden, die Form (bis über den Tod hinaus) zu wahren und moderne Bluttests zu umgehen (PIC 3×05). Wie sich später herausstellen wird, führte die stärkere Heranführung der Gründer-DNA an humanoide Körperlichkeit nicht nur zu neuen Vorteilen, sondern auch zu mehreren Schwachstellen, darunter etwa die Unfähigkeit, im Weltraum überleben zu können (PIC 3×08; in DS9 wurde noch gezeigt, dass verflüssigte Gründer sehr wohl im Vakuum des Alls überleben können [7×14]). Auch scheint sich die physische Widerstandsfähigkeit erheblich reduziert zu haben, denn in DS9 konnten Formwandler noch eine Menge Phaser- oder Disruptorbeschuss einstecken (z.B. DS9 5×01). Ziel von Sektion 31, so Vadic, sei die Erschaffung von „perfekten, kaum wahrnehmbaren Spionen“ gewesen, „dazu fähig, in jede Spezies einzudringen und Chaos verbreiten zu können“ (PIC 3×07).
Dies ist zumindest, was Vadic Jean-Luc Picard und Beverly Crusher bei ihrer persönlichen Begegnung an Bord der Titan erzählt. Man kann freilich die Frage stellen, inwieweit Sektion 31 überhaupt ernsthaft das Ziel verfolgt haben kann, während des Dominion-Kriegs formwandelnde Agenten zu kreieren. Abgesehen von den Anforderungen an eine derart weitreichende biophysische Umgestaltung einer Spezies wie den Gründern – es mutet per se überambitioniert bis größenwahnsinnig an –, lässt sich trefflich bezweifeln, ob die einmal geschaffenen „Spione“ sich überhaupt zureichend hätten kontrollieren lassen. Das Risiko erscheint enorm groß, dass sie sich gegen ihre Erschaffer wenden könnten. Vadics offensichtliche Geisteskrankheit (eine Folge der Torturen, welche sie durchleben musste?) ist mutmaßlich ein guter Beweis dafür, dass die Experimente nicht so verliefen wie gedacht. Es ist unklar, ob Vadic angesichts ihrer gestörten, von Wahnvorstellungen zerfressenen Persönlichkeit Picard und Crusher die Wahrheit über sich berichtet, doch immerhin dass sie sich in Kriegsgefangenschaft befand und verwerflichen Prozeduren unterzogen wurde erscheint plausibel. Womöglich standen diese Versuchsreihen auch im Zusammenhang mit der Entwicklung bzw. Perfektionierung des morphogenen Virus (siebte DS9-Staffel) oder hatten andere Gründe, um nach einer Waffe gegen die Gründer zu suchen. Es ist vorstellbar, dass die Experimente scheiterten und völlig unabsichtlich ein veränderter Formwandlerstamm mit neuen Fähigkeiten geschaffen wurde.
„Möchten Sie vielleicht noch mehr darüber hören, wo mein Appetit auf Ihre brutale, unausweichliche Auslöschung seinen Ursprung hat? Sie werden staunen: bei der Sternenflotte. Sie haben mir die Fähigkeit verliehen, Ihr Blut nachzuahmen, meine Form zu halten, jeden Test bestehen zu können. Und das alles, während Sie mir Qualen über Qualen zufügen mussten. Und denen, die ich geliebt hatte. Also erzählen Sie mir nicht, dass ich keine Achtung vor Liebe haben würde. Vor Unschuld. Und vor Schmerz.“ (Vadic in PIC 3×07)
Vadic berichtet, dass sie ihre Peiniger letztlich überwältigte und mit den anderen Wechselbälgern die Flucht von der Daystrom-Station antrat. Aus ihrer Erzählung geht hervor, dass sie die Erscheinung der leitenden Wissenschaftlerin in den Diensten von Sektion 31 angenommen hat (womöglich um zunächst entkommen zu können), einschließlich einiger ihrer Verhaltensmuster. Überhaupt zeigt Vadic ein ausgesprochen menschliches Verhalten, bis hin zu ihrer Sprache. So bezeichnet sie Jack Crusher als „Schätzchen“ und ihre Konsorten an Bord der Shrike als „Herzchen“. Vor allem aber scheint sie besessen von einer Melodie, die die Wissenschaftlerin, deren Aussehen sie annahm, häufig gepfiffen hat. Vadic, die einem Volk entstammt, das eigentlich gar keine Musik kennt, hat dieses Motiv aufgriffen und weiter gesponnen.
„Die Symphonie, auf die ich kam, bestand nicht aus Bläsern und Streichern, sondern aus diesem Quietschen der Räder in den Fluren, dem Knatschen von Stiefeln auf dem Boden, dem Knarren der Käfigtüren, dem Gejammere, der Schreie aller Tempi, aller Tonhöhen…und dem Pfeifen. Sie hat gepfiffen. Immer, wenn sie uns etwas injiziert hat, uns sichtbar gemacht hat und uns so viele Schmerzen zugefügt hat, wie sie niemand jemals ertragen müssen sollte. Und das alles nur, um uns zu Waffen zu machen.“ (Vadic in PIC 3×07)
Wie sich zeigen wird, ist diese imaginierte Melodie, die sie allenthalben zu hören scheint, mit ihrem Trauma, ihrer zerrütteten Persönlichkeit und v.a. ihrem glühenden Wunsch nach Vergeltung unmittelbar verknüpft (PIC 3×08). Picard mutmaßt, sie habe das Gesicht der leitenden Wissenschaftlerin dauerhaft übernommen, „um sich an ihren Hass zu erinnern“ (PIC 3×07). Doch vermutlich springt diese Deutung etwas kurz. Ein wenig wie beim Stockholm-Syndrom scheint Vadic eine gewisse Annäherung an die Perspektive und das Verhalten ihrer erbarmungslosen Unterdrücker auf der Daystrom-Station vollzogen zu haben. Sie scheint in ihrer sadistischen Peinigerin so etwas wie ein indirektes Vorbild zu erkennen, das nicht nur ihre Biophysik manipulierte, sondern auch ihre Identität neu schrieb. Nur noch wenig an Vadic lässt an die kühlen und distanziert-erhabenen Formwandler ihrer Geburtsspezies denken. So sehr sie nun der Wunsch nach umfassender Rache an der Föderation antreibt, kann sie sich von denjenigen, die sie knechteten und veränderten, innerlich nicht mehr richtig lösen. Sie hat die ‚Der Zweck heiligt die Mittel‘-Philosophie von Sektion 31 übernommen.
„Ich habe während meiner Zeit als Kriegsgefangene Bedeutendes durch die Solids gelernt. […] Durch diese Experimente haben Sie die perfekten Monster erschaffen – uns.“ (Vadic in PIC 3×07)
Was hat es mit Vadics Abspaltung von der Großen Verbindung auf sich?
Als sie ihre Mitgefangenen befreite, habe sie, so Vadic im Jahr 2401, festgestellt, dass sie die Gabe erlangt hatte, ihre verbesserten Gestaltwandlungsfähigkeiten an andere Wechselbälger weiterzugeben, indem sie sich mit ihnen verband – vorausgesetzt, diese seien bereit, eine „kürzere Lebensspanne“ und „ständige Schmerzen“ in Kauf zu nehmen. Ob ursprünglich nur sie über die veränderte Physiologie verfügte und diese dann beim Ausbruch oder während der Flucht an ihre Mitgefangenen weiterreichte, ist unklar. Worf führt in PIC 3×03 aus, dass es zu einem früheren Zeitpunkt in der Vergangenheit nach dem Dominion-Krieg zu einer Art Abspaltung von der Großen Verbindung gekommen sei; eine radikale Fraktion habe sich losgesagt, weil sie sich an der Föderation habe rächen wollen. Wir werden erkennen, dass dieses Schisma der Gründer auf Vadic zurückgeht. Offenbar kehrte sie im Anschluss an den Dominion-Krieg vorübergehend in den Gamma-Quadranten zur Großen Verbindung zurück. Doch aufgrund ihrer genetischen Veränderungen war es ihr nicht länger möglich, sich zu verbinden und Teil des Wechselbälgerkollektivs zu werden, denn dadurch wäre der gesamte genetische Pool der Gründer durch sie kontaminiert worden. Vadic war also bereits zu diesem Zeitpunkt so etwas wie eine Außenseiterin, weil sie keine Perspektive mehr besaß, die einzigartige Verbindung mit ihrer gesamten Spezies zu teilen. Früher oder später schloss sich ihr eine kleine, radikale Gruppe von Wechselbälgern an und ging mit ihr in den Alpha-Quadranten. Wie genau sie diese innere Rebellion in die Tat umsetzte, wissen wir nicht. Es ist aber anzunehmen, dass es nach dem Ende des Dominion-Kriegs in der Großen Verbindung einen Teil von Wechselbälgern gab, die sich der Föderation und ihren Alliierten nicht geschlagen geben wollten und auf Vergeltung aus waren. Gerade die Erfahrung, dass gegen die Große Verbindung ein morphogenes Virus mit genozidalem Anstrich eingesetzt wurde, sowie das Bekanntwerden von Vadics schlimmem Schicksal mag eine gewisse Zahl von Formwandlern mobilisiert haben. Trotz des Zulaufs in Vadics Reihen strebte die Mehrheit der Gründer jedoch keinen erneuten Krieg mit der Föderation und deren Verbündeten an (womöglich unter dem positiven Einfluss Odos, der am Ende von DS9 zu seinem Volk zurückkehrte [DS9 7×26]). Dies führte wahrscheinlich dazu, dass Vadic nicht nur biologisch, sondern nun auch politisch zu einer Ausgestoßenen wurde; mit ihrer revanchistischen Splittergruppe kehrte sie sich ab und verschwand.
Wie viele Gründer sich Vadic damals anschlossen, bleibt Spekulation. Allerdings können wir vermuten, dass ihre Zahl die spätere Crew der Shrike bei weitem übersteigt. Denn wir erfahren in der dritten Season ja, dass eine große und umfassende Unterwanderung der Sternenflotte mit veränderten Formwandlern stattgefunden hat, sodass davon auszugehen ist, dass zu diesem Zeitpunkt an Bord der Shrike nur ein kleiner harter Kern von Vadics Verbündeten verblieben ist. Auch scheint es so zu sein, dass Vadic bis in die Zeit der dritten Season von Picard noch vereinzelten Zulauf von Wechselbälgern aus der Großen Verbindung bekam. Denn während sie selbst und ihre Anhänger nicht mehr auf Verflüssigung angewiesen sind, weil sie ihre Form nahezu permanent halten können, sehen wir in PIC 3×03 mit Titus Rikka einen Gründer, der seine falsche Erscheinung nicht mehr aufrechterhalten kann (PIC 3×03). Ebenfalls zeigt PIC 3×04 einen Wechselbalg, der an Bord der Titan Fähnrich Foster ersetzt hat und offenbar noch auf Regeneration in einem speziellen ‚Pott‘ angewiesen ist. Zwar hat Vadic ihre Physiologie mit der Zeit an ihre Folger weitergegeben, aber es mag sein, dass einige Sympathisanten ihrer Sache dies explizit nicht wollten oder dass der Anpassungsprozess mitunter eine Weile dauert. Nachdem die Abspaltung der Gründer vom Dominion irreversibel war, wurde Worf von Odo kontaktiert und vor Vadics abtrünniger Terroristengruppe gewarnt. Aus Sorge vor einem erneuten Aufflammen des Dominion-Kriegs entschied sich die Föderation jedoch dagegen, ihre Existenz offiziell anzuerkennen; auch wurde die Sternenflotte nur äußerst begrenzt darauf angesetzt, nach dieser vermeintlichen Gruppierung Ausschau zu halten. Maß man ihr nur geringes Bedrohungspotenzial zu? Vielleicht wusste die Sternenflotte nicht, was genau Sektion 31 mit Vadic und den anderen Wechselbälgern an Bord der Daystrom-Station getan hatte und wozu sie nun von ihren Fähigkeiten her in der Lage waren (Odo mag es ebenfalls nicht genau gewusst haben oder er enthielt Worf diese Information aus unbekannten Gründen vor). Hinzu kam, dass in der Zeit, in der Vadic und ihre Fraktion sich bildeten, die Evakuierungsmission der Sternenflotte in romulanischem Raum mutmaßlich auf ihrem Höhepunkt war, sodass Aufmerksamkeit und Kapazitäten stark gebunden waren. Vadics Gruppe stellte sich clever an und tauchte – auch dank ihrer überlegenen Gestaltwandlungsfertigkeiten – rasch unter, womit es still um die separatistischen Wechselbälger wurde, die aus Sicht der Föderation kaum mehr als ein Gespenst waren. Diese Ruhe war jedoch trügerisch und pure Vermeintlichkeit, wie sich später herausstellen sollte.
„Es kommt der Tag der Ruhe, und es kommt der Tag schon bald, da leblose Leiber im Weltraum brennen werden. Und mehr noch: Dann wird endlich wieder Stille herrschen. Einheit herrschen. Frieden herrschen. Doch zuvor üben wir Vergeltung.“ (Vadic in PIC 3×06)
Warum ist Vadic so anders als ihre Anhänger?
Vadic ist jedoch nicht nur anders als die übrigen Gründer, die sich ihrem Aufruf, Rache an der Föderation zu üben, nicht anschlossen. Demnach, was uns die dritte PICARD-Staffel von ihr zeigt, unterscheidet sie sich auch beträchtlich von Jenen, die unter ihr an Bord der Shrike versammelt sind. Vadics Autorität scheint zwar nicht durchgehend unwidersprochen anerkannt zu werden, und doch scheint sie sich ihre Anhänger untergeordnet zu haben, was dem Gedanken eines gleichberechtigten Gründerkollektivs, wie es in der Großen Verbindung besteht, eigentlich widerspricht. Sie übt Kontrolle und manchmal sogar gewaltsamen Druck aus. Wie angesprochen, ist sie sogar bereit, die nahezu heilige Regel, einem anderen Wechselbälger keinen Schaden zuzufügen, außer Kraft zu setzen. So lässt sie in PIC 3×06 einen widerspenstigen Formwandler aus ihrer Brückenbesatzung kurzerhand exekutieren, was eher an klingonische Umgangsformen denken lässt. In derselben Szene bezeichnet sie ihre Kommandocrew vorwurfsvoll als „form- und gestaltlose Pfuscher“. Dies steht einerseits für ihren launenhaften, manischen Charakter, der bei Misserfolgen allzu schnell ausschlägt, allerdings auch für das Ausnutzen ihrer internen Machtposition. Letztere scheint sie seit der Abspaltung von der Großen Verbindung stetig ausgebaut zu haben. Offenbar sieht sie sich ihren Anhängern gegenüber als überlegen an, und womöglich ist sie dies auch.
Sie scheint von ihren Untergebenen zu erwarten, eine bestimmte, einheitliche Kleidung und Maskerade zu tragen; selbiges gilt für deren kryptische Sprache, die allem Anschein nach nur Vadic verstehen kann (es handelt sich jedenfalls um keine verbale Kommunikationsform der traditionellen Gründer). Es gibt Beispiele zu besichtigen, wie Vadic in die Existenz ihrer Anhänger aktiv hineininterveniert. Als einige Mitglieder ihres Entertrupps an Bord der Titan schwer verletzt werden, kann sie diese durch eine Art von Fernverbindung heilen und wiedererwecken (PIC 3×07). Nun stellt sich Frage, womit wir es hier zu tun haben? Vorstellbar wären verschiedene Möglichkeiten. Erstens ist denkbar, dass Vadics Manipulationen durch Sektion 31 am weitesten fortgeschritten waren und sie in der Lage war, mit der Weitergabe ihrer Anpassungen an andere Gründer auch eine Art von Kontrollmechanismus weiterzugeben. Diese Form von biologischer Befehlsgewalt hat sich möglicherweise erst im Laufe ihrer Jahre im Alpha-Quadranten ausgewachsen, und Vadic machte zur Durchsetzung ihrer eigenen Macht zunehmend Gebrauch hiervon. Die zweite Möglichkeit bezieht sich auf das Bündnis, das Vadic in jüngerer Zeit mit den Überresten des Borg-Kollektivs geschlossen hat. Die etwas verstörende Szene, in der Vadic sich einen Teil ihrer Hand entfernt und daraufhin via Fernkontakt mit der Borg-Königin spricht (Simulakrum eines Gesichts), die sie prompt unter Druck setzt, spricht dafür, dass Vadic eine Art von Verbindung mit der Borg-Königin eingegangen ist. Wurden ihr vielleicht spezielle Nanosonden injiziert? Diese kybernetische Erweiterung könnte auch dazu geführt haben, dass Vadic Fähigkeiten verliehen wurden, die ihr eine Art Tele-Interventionsmöglichkeit in Bezug auf ihre Anhänger verliehen hat.
„Ich kann es [ihre neue Physiologie und ihre Fähigkeiten] immer weitergeben, an jeden, der unserem Ansinnen beistehen soll.“ (Vadic in PIC 3×07)
Wie ist Vadics Sicht auf die Föderation und den Dominon-Krieg?
Vadics glühender Wunsch nach Rache scheint sich zunächst auf ihr eigenes Leidensschicksal zu beziehen, sodass sie tatsächlich auf einem urpersönlichen Vergeltungsfeldzug unterwegs ist. Sie erzählt Picard und Crusher in PIC 3×07 hierbei nicht lediglich von ihren durchlittenen Qualen, die ihr im Zuge der Experimente auf der Daystrom-Station bereitet wurden. Auch macht sie der Föderation zum Vorwurf, diese habe ihr „meine Familie genommen“, was sie zur Rechtfertigung nimmt, Picard und Crusher ihren Sohn Jack zu entreißen. Wenn Vadic also davon spricht, ihre Familie verloren zu haben, kann dies Verschiedenes bedeuten. Zum einen kann sie dies darauf beziehen, dass sie und wohl auch die übrigen mitgefangenen Formwandler durch ihre genetische Umgestaltung dauerhaft zu Heimatlosen wurden, die nicht in die Große Verbindung zurückkehren konnten; so hat die VFP gewissermaßen die Einheit und Harmonie ihres Volkes zerstört, die den Gründern immer über alles ging. Zum anderen kann sie auch darauf anspielen, dass im Zuge der Experimente mehrere der anderen Wechselbälger getötet wurden, denen sie möglicherweise besonders nah stand. Nicht umsonst spricht sie von Solchen, die sie „geliebt“ habe.
Ein zweiter Grund, weshalb Vadic auf Rache sinnt, hat mit dem morphogenen Virus zu tun, der während des Dominion-Kriegs in die Große Verbindung eingeschleust wurde und der beinahe das gesamte Gründervolk ausgelöscht hätte. Dies illustriert der Wortwechsel zwischen ihr und Picard:
„Vergleichen Sie bloß nicht die Gräueltaten, die von Ihrer Seite begangen wurden, mit der Kriegsführung, wie sie von uns gehandhabt worden ist. […] Überall, wo Ihr Solids auftaucht, hinterlasst Ihr in jeder Welt nichts als Zerstörung.“ – „Nennen Sie mir eine.“ – „Meine. Kaum hatten wir das Kriegsfeld betreten, hat sich die Föderation schon zum Genozid entschlossen. Durch ein Virus.“ (Vadic in PIC 3×07)
Einmal abgesehen von den verwerflichen Gräueltaten, die das Dominion begangen hat (es machte Völker wie die Jem’Hadar von Drogen abhängig, um sie zu kontrollieren, ja hat sogar in der DS9-Episode Hoffnung [4×24] ein Volk im Gamma-Quadranten als Strafe mit einer tödlichen Erkrankung infiziert; von dem, was das Dominion in den letzten Kriegstagen Millionen Cardassianern antat, ganz zu schweigen): Vadic hat hier streng genommen Recht, denn besagtes Virus ist im Grunde bereits schon vor dem Ausbruch des Kriegs entwickelt und über Odo in die Große Verbindung eingeschleust worden, da Sektion 31 allem Anschein nach fest davon überzeugt war, das Dominion werde in Kürze zu einer existenziellen Bedrohung für die Föderation werden. Allerdings fällt auf, dass Vadic dazu tendiert, die fürchterlichen Taten, die von der Dominion-Kriegsführung gegen den Alpha-Quadranten ausgingen, geflissentlich unter den Teppich zu kehren. In Folge PIC 3×07 wird dann deutlich, dass sich innerhalb ihrer Terrorzelle offenbar eine stark veränderte, um nicht zu sagen geschichtsrevisionistische Sicht auf die Ereignisse rund um das morphogene Virus breit gemacht hat. Als Picard darauf hinweist, die Gründer hätten rechtzeitig eine Heilung erhalten (übrigens ein schwacher Versuch der moralischen Entlastung), entgegnet Vadic:
„Ach, steht das so in Ihren Geschichtsbüchern? Ein Heilmittel, ganz genau, ja. Aber die Sternenflotte hat gegen eine Aushändigung an uns gestimmt. Daher musste einer der Unsrigen es stehlen.“ (Vadic in PIC 3×07)
Ihr nachträgliches Framing der Geschehnisse ist bemerkenswert. Wenn sie von ‚einem der Unsrigen‘ spricht, kann nur von Odo die Rede sein, der im DS9-Finale Das, was du zurücklässt (7×25; 7×26) eigenmächtig entschied, den Gründern das Heilmittel ‚auszuhändigen‘ (wenn man dies überhaupt so ausdrücken kann, denn Odo trug die Heilung in seinen kurierten Formwandlergenen). Vadic indes stellt es so dar, als habe Odo auf ihrer Seite gestanden – was nicht korrekt ist, da er als Solitär im Bündnis mit der Föderation agierte – und das Mittel von der Sternenflotte entwendete. Defacto war es Dr. Julian Bashir, der unter Einsatz seines Lebens Sektion 31 das Heilmittel entrissen hatte. Der Diebstahl der Heilmittels fand also föderationsintern statt, wo unterschiedliche Akteure miteinander rangen. In der Folge gelang es Bashir, Odo zu heilen, der dann im Herzen des Dominion-Hauptquartiers auf Cardassia Prime auf eigene Faust entschied, der Großen Verbindung ebenfalls das Vakzin zukommen zu lassen. Dies wurde zum Teil eines Deals mit der kriegsführenden Gründerin, die einwilligte, die Kriegshandlungen unverzüglich einzustellen und zu kapitulieren, wenn Odo in den Gamma-Quadranten geht und die Große Verbindung heilt.
So verdreht Vadics Sicht der Dinge ist: Sie hat einen wichtigen Punkt, wenn Sie der Föderation Gräuel vorwirft. Mochte die Föderationspolitik die Biowaffe gegen die Gründer nicht in Auftrag gegeben oder legalisiert haben, weil Sektion 31 in den Strukturen der Sternenflotte ihr geheimes Eigenleben führte, weigerte sich der Föderationsrat nach Bekanntwerden dieser Vorgänge, dem Dominion das Heilmittel auszuliefern. Zu sehr fürchtete man, in den Wirren des laufenden Kriegs eine Trumpfkarte aus der Hand zu geben und den Gründern einen Vorteil zu verschaffen. Dadurch machte sich die Föderation mindestens so etwas wie eines passiven Kriegsverbrechens schuldig. Vermutlich ist es Vadic nach dem Leid, das ihr widerfuhr, gar nicht mehr möglich, objektiv auf die Vergangenheit zurückzublicken, was ihre Geschichtsklitterung erklären würde. Vadic ist das Resultat einer äußerst grausamen und erbarmungslosen Art der Kriegsführung, und im Angesicht ihres eigenen Schicksals erhält auch die Erinnerung an die traumatische Virusinfektion durch Sektion 31 während des Kriegs neuen Auftrieb. Nicht von ungefähr wirft Vadic der Föderation, die sich für eine aufgeklärte, zivilisierte Gesellschaft hält, Empathielosigkeit vor, und ist bereit, mit eben derselben Gefühlskälte gegen sie vorzugehen.
„In der Großen Verbindung nehmen sie eine kürzere Lebensspanne und große Schmerzen für die Fähigkeit in Kauf, die hinters Licht zu führen, die uns alles genommen haben.“ (Vadic in PIC 3×07)
Wie sieht Vadics Plan aus, um Rache an der Föderation zu nehmen?
Vieles spricht dafür, dass Vadic eine Zeitlang als Eigenbrötlerin im Quadranten unterwegs war, sich irgendwie durchschlug und über keinen rechten Plan verfügte, wie sie ihre Vergeltungsabsichten mit den wenigen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung standen, in die Tat umsetzen sollte. Dann ergab sich – wie genau wissen wir nicht – eines Tages der Kontakt mit der Vertreterin einer anderen gefallenen Supermacht; einer Macht, die genau genommen noch weit tiefer gestürzt war als das Dominion, welches zwar einen großen Krieg verlor, aber weitestgehend intakt blieb. Die Borg-Königin kämpfte nach der neurolytischen Pathogeninfektion (verursacht durch eine Admiral Kathryn Janeway aus einer alternativen Zukunft [VOY 7×26]) buchstäblich um ihre nackte Existenz, während ihr Kollektiv um sie herum kontinuierlich starb und sie die Kontrolle über immer größere Teile ihrer Infrastruktur verlor. Ohne die Fähigkeit, das Hive aufrechtzuerhalten und neue Drohnen in den Schwarm zu integrieren, fiel die Königin in einen manischen Zustand, da ihre Borg nach und nach an Hunger und Alter verendeten.
Die Borg-Königin hatte in ihrer Verzweiflung einen Plan gefasst, um das zerfallende Kollektiv zu retten, doch sie besaß keine Armee mehr; entsprechend war sie auf neue Bündnispartner angewiesen, die bereit waren, ihr zu helfen. Dies stellte ein Problem dar, denn wer wollte sich schon mit den Borg verbünden? Nichts, was sie in der Vergangenheit getan hatten, hatte die Möglichkeit von Allianzen erwogen. Vadic jedoch erkannte in diesem Moment die Interessenkonvergenz mit der einstmals so mächtigen kybernetischen Kreatur. Die Königin weihte sie in ihr Vorhaben ein, die Sternenflotte von innen heraus zu assimilieren und die Föderation ein für allemal vernichten zu wollen. So kam es irgendwann um 2400 zu einer Art Absprache und Zweckbündnis. Nun kann man fragen, weshalb sich Vadic gerade mit einem ultimativen Feind wie der Borg-Königin verbündet hat. Die einzige überzeugende Antwort ist, dass ihr Wunsch nach Revanche für sie alles andere überwiegt und sie zum Erreichen dieses Ziel bereit ist, jeden erdenklichen Preis zu zahlen. Vadic – deren Volk ähnlich wie die Borg durch ein künstlich geschaffenes Virus aus den Reihen der Sternenflotte beinahe ausgelöscht worden wäre – will der Föderation einen Schlag versetzen, von dem sie sich nicht mehr erholen kann, und sie ist dabei auf den diabolischen Plan der Borg-Königin angewiesen – auch wenn dies längerfristig bedeuten mag, dass sich ein neues, anders geartetes Kollektiv aus den Überresten der Föderation erhebt und alles Verbliebene einäschert. Wahrscheinlich ist sich Vadic von vorneherein bewusst gewesen, dass sie ein fragwürdiges Bündnis mit der Königin einging, doch ihr eigenes Leben bedeutet ihr nicht viel, sofern sie ihren Durst nach finaler Abrechnung mit der Föderation nur irgendwie stillen kann. Das ist übrigens ein verbindendes Element mit der bionischen Herrscherin, die nach mehreren schweren Niederlagen ihrerseits von Hass durchdrungen ist und sich in den Gedanken einer erneuten Invasion der Erde verbissen hat (PIC 3×09). Zentraler Dreh- und Angelpunkt des Plans der Borg-Königin stellt der junge Jack Crusher dar. Er hat eine veränderte Borg-DNA von seinem leiblichen Vater Jean-Luc Picard erhalten, die in ihm unbemerkt zu einer extremen und bislang einzigartigen Mutation heranreifte. Letztere erlaubt eine neue Form der Ausübung von gedanklich-telepathischer Kontrolle, die sich die Königin zunutze machen will. Vadic widmet sich fortan der vorrangigen Aufgabe, Jack Crusher – sobald dessen Geist erwacht ist und er Visionen von der Königin zu entwickeln beginnt – zu finden, gefangen zu nehmen und zum Kollektiv zu bringen. Sie setzt hierzu nicht lediglich ihre eigenen Leute ein, sondern nutzt Bestechung und Kontakte ins kriminelle Milieu, um ihre Augen und Ohren zu mehren und Jack leichter einzufangen (PIC 3×02). Doch damit ist es nicht getan. Vadic vollführt im Zeitraum 2400/2401 eine ganze Menge mehr, um das große Vorhaben der Königin zu flankieren und wohl orchestrierte Vorbereitungen zu treffen, damit die Sternenflotte tatsächlich von innen heraus assimiliert werden kann. Im Einzelnen zeichnet sie für folgende Aktionen verantwortlich:
- Vadics Streitkräfte unterwandern über Monate hinweg systematisch die Sternenflotte und ersetzen Personen an vitalen Schaltstellen und in Leitungsfunktionen, indem sie genau jene Fähigkeiten, die ihnen von Sektion 31 verliehen wurden, zum Einsatz bringen. Es gelingt ihnen in hohem Tempo, die Befehlshierarchie bis hinein in die Admiralität zu untergraben, gesicherte und geschützte Informationen zu erlangen und die internen Strukturen der Föderationsarmada zu vernebeln und zu schwächen. Um ihre einzelnen Aktionen gegenseitig zu decken, streuen die Wechselbalginfiltratoren gezielt Falschinformationen, legen falsche Fährten und unterziehen bestimmte Hinweise auf versteckte Aktivitäten der Geheimhaltung. In einem ersten Schritt gelingt es Vadics Gruppe, heimlich zwischen Raumschiffen und -basen zu beamen, ohne dass es jemandem auffällt. Nur wenige Geheimdienstoffiziere innerhalb der Sternenflotte würden später über die ominösen Vorgänge im Innern der Befehlsstrukturen stutzig werden, darunter Ro Laren und Worf, die jedoch auf enorme Hindernisse bei ihren Ermittlungen stoßen würden (PIC 3×05).
- Den abtrünnigen Formwandlern gelingt es mithilfe ihrer Kontakte und Geschäfte ins kriminelle Milieu auf M’talas Prime, die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einbruch in die geschützte Hochsicherheitsstation Daystrom zu schaffen. Um Zugang zu erhalten, heuern sie den vulkanischen Kriminellen Krinn an, der einen speziellen Schlüssel vermittelt, welcher die Defizite im KI-Sicherheitssystem der Station ausnutzen kann (PIC 3×05; 3×06). Letztlich können Vadic und ihresgleichen diesen Einbruch ausführen, ohne ertappt zu werden. Sie entwenden dabei aus dem Tresorraum eine experimentelle Quantentunnel-Portalwaffe.
- Diese Portalwaffe bringen sie kurz darauf zum Einsatz und zerstören das Rekrutierungszentrum der Sternenflotte auf M’talas Prime. Der Terroranschlag dient primär der Ablenkung und dem Verwischen ihrer Spuren; Vadic und Co. schieben den Diebstahl der gefährlichen Waffentechnologie einer anderen Verbrecherfraktion in die Schuhe (dem romulanischen Rebellen Lurak T’Luco), worauf die Öffentlichkeit anspringt. Später wird Vadic mit der Shrike die Portalwaffe noch bei der Jagd auf Jack Crusher nützlich sein (PIC 3×03).
- Wie sich erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen wird, haben Vadic und ihre Leute auf der Daystrom-Station noch etwas anderes entwendet, um das es ihnen eigentlich geht. Es ist Jean-Luc Picards echter Körper, der zwecks weiterer Untersuchungen konserviert auf der Geheimbasis gelagert wurde. Altan Inigo Soong vermutete nach Picards Transfer in einen Golem, dass die Gehirnanomalie, die den Tod seines originalen Körpers verursacht hatte, tatsächlich nicht das Irumodische Syndrom, sondern der Nebeneffekt eines beispiellosen anderen Phänomens gewesen sein könnte (PIC 1×10; 3×06; 3×09). Allerdings hatten die Sternenflotten-Experten keinen Erfolg, dies zu eruieren.
- Nach der Entführung von Picards sterblicher Hülle extrahieren Vadic und ihre Anhänger die Borg-Veränderungen, die unentdeckt in seinem Leichnam verblieben sind. Es handelt sich um spezielle, neuartige DNA, die sich seit seiner Befreiung vom Kollektiv vor über drei Dekaden in seinem Scheitellappen unentdeckt herausbildete. Die abtrünnigen Wechselbälger nutzen ihren inzwischen geschaffenen Zugang zum Sternenflotten-Mainframe und implementieren die neue DNA-Sequenz als Standard in die flottenweite Transportersystem-Architektur. Diese enthält jene biophysischen Bestandteile, die bei allen bekannten Spezies gleich sind; sie sind in einer Art Cache gespeichert, damit beim Beamvorgang nicht immer neu codiert und decodiert werden muss. Nun erhält jedes Lebewesen, das mit dem aktualisierten Transportersystem gebeamt wird, die Borg-DNA.
- Parallel zur Kompromittierung der Transporterarchitektur mit Borg-DNA haben die Wechselbälger den Mainframe weitergehend manipuliert, sodass der neuartige Fleet Formation Mode (Sternenflotten-Notfallprotokoll NX12.11 zur Synchronisierung) am 250. Frontier Day infiltriert werden kann. Ein eingeschleuster Borg-Code soll sich der zentralen Steuerung über den Hauptrechner bedienen und damit die Kaperung großer Teile der Sternenflotten-Armada beschleunigen, um die Erde attackieren zu können.
- In diesem Zusammenhang wäre theoretisch denkbar, dass Formwandler, die hochrangige Admiräle in wichtigen Entscheidungspositionen ersetzten, im Vorfeld darauf hingewirkt haben, dass die Sternenflotte die umfassende Digitalisierung (Upgrades zur obligatorischen Kommunikation aller Schiffe untereinander) sowie die Entwicklung des Fleet Formation Mode möglichst schnell umsetzt. Selbiges gilt für das Zusammenziehen eines Großteils der Flotte im Sol-System, wogegen z.B. Geordi La Forge scharf protestiert hat (PIC 3×06).
- Denkbar wäre, dass durch Vadics Wechselbälger auch der Transwarpkanal erst erfolgreich hergestellt werden muss, den die Borg-Königin in PIC 3×09 nutzen wird, um mit einem modifizierten Kubus unbemerkt ins Sol-System zu gelangen. Es steht zu vermuten, dass Vorarbeiten nötig waren, um diesen Kanal zu schaffen, denn früher bestand eine solche Möglichkeit, bis direkt ins Zentrum der Föderation zu springen, für das Borg-Kollektiv nicht. Sie mussten aus der Ferne anreisen, einen aggressiven Grenzübertritt durchführen und sich bis zum Sol-System vorarbeiten (TNG 3×26; 4×01; VIII: Der Erste Kontakt).
Obwohl Vadic vor Inkrafttreten des Plans der Borg-Königin von der Crew der Titan zur Strecke gebracht werden kann, verläuft die Verschwörung ihrer Fraktion erfolgreich. Picard und die Titan finden heraus, dass Vadic die ganze Zeit über mit den Borg kooperiert und eine Übernahme der Föderation durch die Borg Schritt für Schritt vorbereitet hat.
„Mit jeder Sekunde, die verstreicht, hole ich mir ein weiteres Stück von Ihnen. Ich picke und reiße mir Stück für Stück heraus, was Euch zu Euch macht.“ (Vadic in PIC 3×02)
„Weil es nie um die Portalwaffe ging! Die sollte die Sternenflotte nur auf Trab halten! […] Es ist zu spät! Klingonen, Menschen, Monophorme – Eure Welten stehen am Rande der Vernichtung! Bald schon wird Eure Föderation zerbrechen!“ (Titus Rikka in PIC 3×03)
Wie frei ist Vadic wirklich in ihrem Handeln?
Das, was wir von Vadic in der dritten PICARD-Staffel zu sehen bekommen, ist zum einen eine gefährliche und unberechenbare Gegnerin für die Titan, zum anderen aber auch jemand, der sichtlich von ihrer ungleichen Partnerin unter Druck gesetzt wird. Mehr noch: Während der Kommunikation mit der Borg-Königin wirkt es immer mehr so, als würde Vadic bedroht und erpresst werden. Wenn sie der Königin berichtet, die Titan sei im Gravitationsbrunnen des Ryton-Nebels verschwunden (nicht ganz durch Vadics Mitschuld) und die Shrike sei nicht in der Lage, ihr dorthin zu folgen, fordert die Königin sie unerbittlich auf, die Verfolgung fortzusetzen. Sie lässt Vadic wissen, dass sie und ihre Crew entbehrlich seien, wenn sie nur Jack Crusher bekomme (PIC 3×04). Sieht so ein Schulterschluss auf Augenhöhe aus? Wohl kaum. Später, nachdem Vadic William Riker und Deanna Troi gefangen genommen und verhört hat, aber keinerlei nützliche Informationen erhält, kontaktiert sie die Königin erneut. Diese fordert sie dazu auf, ihre Gefangenen zu brechen, und dass es unbedingt erforderlich sei, an Jack Crusher heranzukommen. Als Vadics zelluläre Struktur plötzlich zu fluktuieren scheint, sagt die Königin bedrohlich:
„Deine Physiologie ist nicht so besonders oder komplex, wie Du glaubst. Du bist schon von Natur aus formbar, gemacht, um Dich zu beugen.“ (Borg-Königin in PIC 3×07).
Was für eine Art von Pakt sehen wir hier also? Es ist denkbar, dass sich die Kooperation mit den Borg im Laufe der Zeit immer mehr zu einem Zwangsverhältnis wandelte, bei dem die Königin – zusehends ungeduldig und vom Wunsch nach Wiedererweckung ihres Kollektivs besessen – Vadic zu einer faktischen Vasallin degradierte. Weiter oben habe ich spekuliert, ob Vadic ab einem gewissen Punkt modifizierte Nanosonden verabreicht worden sind. Wer weiß, vielleicht war Vadic ursprünglich sogar damit einverstanden, einige Borg-Komponenten in ihre DNA zu integrieren, weil es ihre Fähigkeiten erweiterte oder für die Infiltrations- und Sabotageaktionen innerhalb der Sternenflotte Vorteile versprach. Dann aber, so könnte man vermuten, setzte die Königin diese Borg-Bestandteile in den Wechselbälgern immer mehr als Mittel der Gefügigmachung ein, auch wenn sie aufgrund ihrer fortgeschrittenen Erkrankung prinzipiell nicht in der Lage war, zu assimilieren (fraglich zudem, ob sich Formwandler überhaupt assimilieren lassen). Es ist zweifelsohne irgendeine Art von Fernwirkung, die die Königin über Vadic auszuüben scheint. Aufgrund dieser Art der Beeinflussung ist sich Vadic offenbar auch sehr genau bewusst, was in Jack vor sich geht (Visionen von der roten Tür). Wir haben in VOY gesehen, dass die Borg ein aus der Not geborenes Zweckbündnis mit Captain Kathryn Janeway vermehrt versuchten, zu ihrem Vorteil aufzulösen, um die vollständige Kontrolle zu erlangen und sich der unliebsamen Zusammenarbeit zu entledigen (VOY 3×26; 4×01). Vadic scheint sich demnach keine Illusionen zu machen, mit wem sie sich eingelassen hat. Sie scheint alle daraus erwachsenden Probleme in Kauf zu nehmen. Ob ihr nun bewusst war oder nicht, dass sie ein Unterverwerfungsverhältnis erwarten würde, scheint es ihr immer nur um die Befriedigung ihres glühenden Rachebedürfnisses an der Föderation gegangen zu sein. Das ist nicht ohne bittere Ironie, denn so geriet sie von der einen Misshandlung und Knechtschaft (Sektion 31) in die nächste.
„Kannst Du es denn nicht hören? Ticktack, ticktack macht die alte Uhr. Uns läuft die Zeit davon!“ (Vadic in PIC 3×07)
Was bleibt von Vadic?
Hinter Vadics bösartiger Oberfläche verbirgt sich eine zutiefst tragische Geschichte, die zeigt, was passiert, wenn zivilisierte Grundsätze selbst unter den Extrembedingungen eines vernichtenden Kriegs aufgegeben werden. Sie ist damit die perfekte Verkörperung des Sprichworts ‚Der Fluch der bösen Tat‘, die nun wie ein Bumerang zu ihren Peinigern zurückkommt. Tatsächlich sind es sogar gleich zwei Geister, die die Föderation – in Form von schweren Kriegsverbrechen – rief und die sie nun nicht mehr loswird. Denn Vadic bezieht bei ihrem Feldzug nicht nur ihr eigenes Leidensschicksal mit ein. Gleichzeitig will sie Vergeltung für das einst von Sektion 31 geschaffene morphogene Virus. Sie hat sich ihre eigene Geschichtsinterpretation zurechtgelegt, die mehr ist als reine Propaganda, sondern mit echtem, traumatischem Schmerz zusammenhängt. Jahrzehnte nach Ende des Dominion-Kriegs, der für viele abhandelt und beinahe vergessen schien, betritt mit ihr somit eine wütende Rächerin die Bühne – die bereit ist, alles zu tun, jeden Preis zu zahlen, um ihre Rache auch zu bekommen. Dies führt sie letztlich in die Arme der Borg-Königin, mit der sie einen Deal eingeht, der sie in eine neue Unterjochung treiben wird. Auch wenn Vadic aufgrund ihres vorzeitigen Ablebens es selbst nicht mehr erleben wird: Sie kommt erschreckend weit damit, die Sternenflotte zu untergraben und so die Grundlage für eine Assimilation der Herzkammer der Föderation zu schaffen. Vadic stellt daher eindrucksvoll wie erschreckend unter Beweis, wie brillant sie trotz ihrer geistigen Instabilität und ihres Wahnsinns vorgegangen ist, mag sie mit der Königin seit geraumer Zeit auch eine mächtige Einflüsterin bzw. Paktiererin gehabt haben.
Bei Vadic ist schwer zu sagen, wo das bis zum Äußersten misshandelte Opfer endet und die schurkenhafte Täterin anfängt; sie ist ohne Frage beides gleichermaßen. Vadic ist die „gebrandmarkte Frau“ (PIC 3×02) mit mehreren Gesichtern, die sie aber nicht wie Masken wechselt, sondern alle auf einmal trägt. Es bleibt nur zu wünschen, dass die Föderation endlich aufarbeitet, was sie mit Sektion 31 entfesselt hat und auf was für eine moralisch abschüssige Bahn sie offensichtlich geraten ist. Nur so lässt sich verhindern, dass in Zukunft eine neue Rächerin von Vadics Kaliber am galaktischen Horizont auftaucht…und sich die Geschichte unter neuen Vorzeichen wiederholt.