Kapitel 15 – „Das war in einem anderen Leben“ – Das Ende des Romulanischen Imperiums und der Morgen danach


In PICARD reiben wir uns an so mancher Stelle verwundert die Augen, was mit dem gewohnten Universum geschehen ist. Keine Ausnahme bilden hierbei auch und gerade die Romulaner, deren Darstellung sich im Vergleich zu den TNG/DS9/VOY-Zeiten massiv verändert hat. Bereits im Star Trek-Reboot (2009) erfuhren wir, dass irgendwann im Jahr 2387 der sogenannten Prime-Zeitlinie aller bekannten Serien und Filme ein Inferno galaktischen Ausmaßes stattfinden würde. Romulus, die Zentralwelt des Romulanischen Sternenimperiums, würde dabei zerstört werden, das große Reich taumeln und vermutlich als das, was es lange gewesen ist, zusammenbrechen. Die Macher von PICARD nutzten dies geschickterweise als Aufhänger für ihre eigene Serie. Die beispiellos zerstörerische Supernova, die den romulanischen Stern zerbersten ließ, ist jenes Ereignis, das die Geschichte im Alpha- und Beta-Quadranten neu schreibt und am Anfang vieler Veränderungen steht, wie sie in PICARD angeschnitten werden. Zugleich offenbaren sich als Ergebnis der schwerwiegend veränderten galaktischen Gemengelage neue, bislang verborgene Seiten an den Romulanern. Somit bleibt wenigstens eines konstant: Die langjährigen spitzohrigen Widersacher wissen uns auch weiterhin zu überraschen. Nehmen wir uns doch die Zeit, zurückzublicken – und nach vorn.

 

Wer waren die Romulaner und wodurch fielen sie auf?

In Roddenberrys Classic-Serie waren die Romulaner das erste antagonistische Volk, bei dem klare Anspielungen auf den damals herrschenden Kalten Krieg erfolgten (TOS 1×14). Sowohl die Romulaner als auch die Föderation waren so stark, dass sie einander pulverisieren konnten. Daher ging es darum, eine Art Gleichgewicht des Schreckens intakt zu halten, das die Machtbalance zwischen beiden stabilisierte und zu gegenseitiger Abschreckung führte. So ging es bis tief ins 24. Jahrhundert weiter. In den TNG- und DS9-Jahren trat uns das Romulanische Sternenimperium als eine militärisch hochgerüstete imperiale Oligarchie gegenüber und war eine von drei bzw. vier (wenn man die Cardassianer mitzählt) Großmächten im Quadrantengefüge. Es setzte sich überwiegend aus Welten zusammen, die von den Romulanern erobert wurden oder sich ihnen unterworfen hatten. Die Gründung des Imperiums geht zurück auf eine kleine Diaspora, welche den Planeten Vulkan vor über 2.000 Jahren verlassen hatte, um in der Ferne ein neues Leben zu beginnen. Dieser Exodus erfolgte als Rebellionsakt gegen die als dogmatisch empfundene UMUK-Philosophie um Logik und Pazifismus, die in der vulkanischen Gesellschaft seit dem Reformator Surak vorherrscht. Jene Ur-Romulaner, die Vulkan den Rücken kehrten, wurden aufgrund ihrer revisionistischen Denkweise als „Jene, die unter den Schwingen der Raptoren marschieren“ bezeichnet (ENT 4×08).

Wir wissen nur sehr wenig über die Romulaner. Es scheinen Lebewesen voller Extreme zu sein. Zeitweilig sind sie von unglaublicher Brutalität, im nächsten Moment ganz sanft. Ihr Glaube an die eigene Überlegenheit geht weit über das hinaus, was man Arroganz nennt.“ (Deanna Troi in TNG 1×26)

Die Nation, welche die Abtrünnigen zunächst auf dem Planeten ch’Rihan (Romulus) errichteten, stand – im Gegensatz zu Suraks Prinzipien – für einen leidenschaftlichen Lebensstil voller ungezügelter Emotionen, die die Romulaner bewusst untereinander auslebten, auch wenn sie Außenstehenden gegenüber eher unnahbar und kalt auftraten. Von Anfang an wurde das Recht des Stärkeren und Gerisseneren betont. Nicht verwunderlich erscheint es da, dass sich die generelle romulanische Mentalität im Staatsaufbau reflektierte. Es war ein Staat, der die unbedingte romulanische Überlegenheit propagierte, seine Feinde mit einer Mischung aus kühler List und glühender Paranoia bekämpfte und auch die eigenen Bürger stets observierte. Die romulanische Gesellschaft war entsprechend autokratisch strukturiert. Der imperiale Senat versammelte die einflussreichsten Gesellschafter, an deren Spitze das Kontinuierliche Komitee (Regierungskörper) samt Prätor (Staatsoberhaupt) und Prokonsul (Stellvertreter) stand. Die Politik des Sternenimperiums war traditionell bestimmt durch anhaltende, teils blutige Machtkämpfe und Staatsstreiche, die nicht immer entlang ideologischer Trennlinien verliefen. Die Durchmilitarisierung der romulanischen Gesellschaft war das entscheidende Werkzeug, um ein Ausgreifen ihrer Zivilisation auf andere Planeten und Völker zu erreichen. Aus diesem Grund war es für den Prätor und seine Regierung zu jeder Zeit äußerst bedeutsam, die Machthaber innerhalb der Flotte auf ihrer Seite zu haben. Dieser Schulterschluss war aber gar nicht so einfach sicherzustellen, bestand doch seit jeher ein ausgeprägter Antagonismus zwischen politischer Klasse und Militär. Hinzu kam eine scharfe Rivalität zwischen der regulären Flotte und dem gefürchteten Geheimdienst (Tal Shiar).

Von starren romulanischen Werten zu sprechen, würde der besonderen Mentalität dieses Volkes vermutlich nicht gerecht. Vielmehr sind List und Tücke und damit ein außerordentliches Maß an Anpassungsfähigkeit die Reputations- und Erfolgsgaranten, auf die romulanische Politik ebenso abhebt wie die Gesellschaft als Ganzes. Die Fähigkeit, für Gegner unberechenbar und geheimnisvoll zu sein, wird als Ausweis besonderen Erfolgs gewertet. Die zahlreichen Staatsstreiche in der imperialen Geschichte sind Anhaltspunkte für die flexibel gefügte romulanische Bündnislogik. Trotz all dieser innergesellschaftlichen Rivalitätsprozesse ist die Abgrenzung zur nicht-romulanischen Umwelt scharf: Ein Superioritätsgefühl gegenüber den meisten anderen Spezies ist ausgeprägt, auch gegenüber den versklavten Remanern auf der Schwesterwelt ch’Havran (Remus; X: Nemesis). Es gibt eine starke Affinität der Romulaner zu Methoden der Spionage und Manipulation sowie eine Vorliebe, möglichst lange nicht sichtbar in Erscheinung zu treten. Informationen über ihre Kultur lassen sie so gut wie nicht nach außen dringen. Es ist jedoch bekannt, dass sie auch innergesellschaftlich mit Stilmitteln der Verschleierung, Verwirrung und Fassade arbeiten, sodass sich andere Völker oftmals fragen, was eigentlich den Kern romulanischer Identität jenseits solcher Trugbilder ausmacht.

Er [Picard] würde die Romulaner niemals ganz verstehen. […] Jede Begegnung enthüllte verborgene Tiefen und deutete auf weitere ungesehene Schichten. Gab es überhaupt einen Kern? Oder reichten die Geheimnisse wie Fraktale bis in die Unendlichkeit und man starb, bevor man an ein Ende gelangte? (Roman I)

Die romulanische Politik war traditionell von starkem Isolationismus geprägt, also einer bewussten Abschottung von der Außenwelt (zumindest gegenüber anderen Großmächten). Abgesehen von kurzfristigen Zweckabkommen zeigten die Romulaner i.d.R. kaum Interesse an Allianzen und ließen sich, von Xenophobie und Misstrauen gegenüber anderen Mächten durchdrungen, nur ungern in der eigenen Entwicklung stören. Umfangreiche Bündnisse ging man nur in Ausnahmesituationen ein. Dafür verstand sich das Sternenimperium auf taktisch versierte Mittel, um Einfluss zu erlangen. Über den Tal Shiar wurden fremde Mächte systematisch unterwandert und ausspioniert, mithilfe getarnter Schiffe feindliches Territorium ausgekundschaftet, und wo immer möglich wurden gewinnbringende Jointventures im Verborgenen geknüpft. Beispiele hierfür wären das Engagement des Tal Shiar im klingonischen Bürgerkrieg (2367/2368; TNG 4×26; 5×26) oder die Kooperation zwischen Tal Shiar und Obsidianischem Orden, als es darum ging, die Heimatwelt der Gründer aufzuspüren und präventiv zu zerstören (2371; DS9 3×20; 3×21).

Wichtigstes Instrument romulanischer Politik ist die leistungsfähige und hoch diversifizierte Armada des Sternenimperiums, insbesondere auch die herausragende Tarntechnologie und das fortschrittliche Spionageinstrumentarium. Vor allem kommt es romulanischer Außenpolitik darauf an, ein gegen sie gerichtetes Blockdenken anderer Mächte zu vermeiden und stets strategische Optionen in der Hinterhand zu haben. Auch deshalb wurde die strikte Isolationismuslinie romulanischer Außenpolitik in der Geschichte einige Male unterbrochen. Beispiele hierfür sind ein über vierjähriger Krieg gegen die Vereinigte Erde und ihre Verbündeten (2156 – 2160), bei dem die Entstehung der Föderation verhindert werden sollte und mit offensiven Mitteln eine Expansion in den Alpha-Quadranten angestrebt wurde; auch eine begrenzte, kurzweilige Technologieallianz mit dem eigentlich verfeindeten Klingonischen Reich ist eine Auffälligkeit im historischen Verhalten der Romulaner (2268; TOS 3×02). Eher ungewöhnlich für die romulanische Außenpolitik sind die Phasen 2266 bis 2311 sowie 2344/2346. Im ersten Zeitraum meldete sich das Sternenimperium nach langjähriger Isolation mit einem Angriff auf Föderationsaußenposten entlang der Neutralen Zone zurück (2266; TOS 1×14). Ein ähnlich kampfbereites, auf Revanche bedachtes Verhalten zeigte sich Anfang des 24. Jahrhunderts, als die Romulaner einen rücksichtslosen Eroberungskurs einschlugen und dadurch eine seit dem Irdisch-Romulanischen Krieg nicht mehr da gewesene Kriegsgefahr heraufbeschworen, die erst in Folge des schockartigen Tomed-Zwischenfalls (2311; TNG 1×26; 7×12) beigelegt werden konnte. Der zweite Zeitraum ist, am Ende des so genannten Betreka-Nebel-Zwischenfalls (2328-2346; DS9 4×01) angesiedelt, von zwei entscheidenden Überfällen romulanischer Kriegsschwalben auf klingonische Kolonien geprägt (2344 bzw. 2346; TNG 3×15; 3×17). Offenbar herrschte auch hier eine Politik des kalkulierten Risikos vor, die jedoch wenig zielführend war, da das romulanische Verhalten eine deutliche Annäherung von Föderation und Klingonen bewirkte. Ungeachtet dieser schwerwiegenden Konfliktherde blieb der Friedensvertrag mit der VFP – in seinen Grundlagen geschlossen nach dem Irdisch-Romulanischen Krieg und dann vertieft bzw. präzisiert im Anschluss an den Tomed-Zwischenfall über das Algeron-Vertragswerk – die gesamte Zeit über offiziell in Kraft. Ihm zugrunde lag die Schaffung einer Neutralen Zone zur Föderation und ein striktes Nutzungsverbot von Tarnvorrichtungen für Raumschiffe als Auflage für die VFP.

Ende des Jahres 2364 befanden die Romulaner den Zeitpunkt für richtig, die selbst verordnete Zurückgezogenheit für beendet zu erklären und wieder in die galaktische Politik einzugreifen. Obwohl nicht abschließend geklärt ist, welche Faktoren zur Aufgabe der romulanischen Selbstisolation führten, liegt ein Grund in der Zerstörung mehrerer Grenzaußenposten im Tarod-Sektor. Die Romulaner entsandten mehrere Warbirds, um die Ursache für die Vernichtung ihrer Beobachtungsstandorte zu klären. Verdächtigte man anfangs die Föderation, die Außenposten angegriffen zu haben, stellten die Romulaner kurz darauf fest, dass auch auf der anderen Seite der Neutralen Zone Vorposten zerstört worden waren (TNG 1×26). Die dahinterstehende, unbekannte Macht würde erst ein Jahr später als Borg-Kollektiv in Erscheinung treten (TNG 2×16). Angesichts der Tatsache, dass sich sowohl die Planetenallianz als auch das Klingonenreich in den letzten fünf Jahrzehnten ausgedehnt hatten, sah sich das Imperium ins machtpolitische Hintertreffen geraten, was in Zukunft wieder ausgeglichen werden sollte. Schnell begannen die Romulaner die Föderation erneut herauszufordern. Eine ganze Ereigniskette lässt sich in wenigen Jahren aufzeigen:

Wie ernst es den Romulanern war, sich Vorteile gegenüber der Föderation zu verschaffen, zeigte etwa die Jagd um die Heimatwelt der untergegangenen Zivilisation der Iconianer in der Neutralen Zone (2365; TNG 2×11).

  • 2366 stürzte ein romulanisches Scoutschiff auf Galorndon Core ab, einer ungastlichen Föderationswelt nahe der Neutralen Zone. Zwei Insassen wurden gefunden, obwohl von romulanischer Seite zunächst gesagt wurde, es handele sich um eine Ein-Mann-Besatzung. Ein imperialer Warbird durchquerte kurz darauf eigenmächtig die Neutrale Zone und verletzte den Föderationsraum, um den überlebenden Piloten zu bergen. Tomalak, Commander des Warbirds, führte eine wenig glaubwürdige Erklärung an, das Scoutschiff habe einem Navigationsfehler unterlegen und sei nur versehentlich auf Galorndon Core abgestürzt. Er drohte mit dem Ausbruch eines neuen Kriegs, sollte er seinen Offizier nicht zurückbekommen. Obwohl die Situation entschärft werden konnte, indem der Pilot nach seiner Bergung an Tomalak übergeben wurde, kamen die wahren Absichten der Romulaner nie ans Tageslicht. Die Sternenflotte musste davon ausgehen, dass das Scoutschiff einen Spionageauftrag hatte (TNG 3×07).
  • Wenige Wochen später überquerte in Anwesenheit der Enterprise-D erneut ein romulanisches Schiff die Neutrale Zone und drang ins Gebiet der Föderation ein. Es handelte sich um ein von einem Warbird verfolgtes und beschossenes Scoutschiff, dessen Pilot die Enterprise offiziell um Asyl bat. Der Überläufer erwies sich als hochrangiger romulanischer Admiral Alidar Jarok, der die Sternenflotte über eine vermeintliche Angriffsbasis in Kenntnis setzte, welche das imperiale Militär auf Nelvana III in der Neutralen Zone errichtet habe – offenbar, um einen Überraschungsangriff auf die Föderation vorzubereiten. Captain Picard drang unter Verletzung des Vertrags von Algeron in die Neutrale Zone ein, um Beweise für die Existenz der Basis zu sammeln, doch bei Nelvana III angekommen, gab es keinen Hinweis auf einen romulanischen Stützpunkt. Kurz darauf enttarnten sich zwei Warbirds, und Commander Tomalak ließ durchscheinen, Gerüchte über eine Basis absichtlich  gestreut zu haben, um Jaroks Loyalität zu testen. Unter dem Vorwand, dass diese den Vertrag gebrochen habe, gedachte er, die Enterprise in seine Gewalt zu bringen, scheiterte damit jedoch (TNG 3×10).
  • Mitte 2367 gelang es den Romulanern, ihre Spionin Selok ins Reich zurückzuführen. Diese hatte in der Rolle der vulkanischen Botschafterin T’Pel das diplomatische Corps der Föderation auf höchster Ebene infiltriert und mannigfache Informationen zu den politischen Initiativen und Plänen der Planetenallianz gesammelt (TNG 4×11).
  • Ende 2367 wurde Geordi La Forge von den Romulanern entführt und einer Gehirnwäsche unterzogen. Mittels E-Band-Impuls wurde er so konditioniert, dass er den klingonischen Gouverneur von Krios Prime umbringen sollte, um die Allianz zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich auseinanderzudividieren. Das Attentat konnte im letzten Moment verhindert und die romulanische Manipulation aufgedeckt werden (TNG 4×24).
  • Als es wenige Wochen darauf zum Bürgerkrieg im Klingonischen Reich kam, vermutete Captain Picard, dass die korrupte Duras-Familie, die den neuen Kanzler Gowron herausforderte, heimlich militärische Unterstützung von den Romulanern erhielt. Mithilfe einer Flotte, die sich eines experimentellen Tachyongitters bediente, gelang es ihm, an der klingonisch-romulanischen Grenze mehrere Warbirds auffliegen zu lassen, die den Perimeter mit Kurs auf klingonisches Kernterritorium übertreten hatten. Dadurch unterband die Föderation eine weitere Einmischung der Romulaner zugunsten der Duras in den klingonischen Bürgerkrieg (2367/68), welche ohne ihre externen Unterstützer den Konflikt verloren (TNG 4×26; 5×01).
  • Im Frühjahr 2368 lockte der romulanische Prokonsul Neral mithilfe seines Verbündeten Senator Pardek Botschafter Spock unter dem Vorwand nach Romulus, an einer langfristigen Wiedervereinigung mit dem vulkanischen Volk interessiert zu sein. Es stellte sich heraus, dass Neral nie eine friedliche Wiedervereinigung mit den Vulkaniern angestrebt hatte. Stattdessen verfolgte er zusammen mit dem Tal Shiar den Plan, heimlich romulanische Spione und Truppen nach Vulkan einzuschleusen, um einen Brückenkopf im Föderationsraum hochzuziehen. Der Plan konnte vereitelt werden (TNG 5×07; 5×08).
  • Nach Jahren relativer Ruhe überfiel ein Warbird 2371 das Amargosa-Solarobservatorium. Was die Föderation zunächst für einen unverhohlen aggressiven Akt hielt und diplomatische Verwerfungen auslöste, stellte sich wenige Tage später anders dar. Die Duras-Schwestern hatten eine große Menge der hochgefährlichen Substanz Trilithium von einem romulanischen Geheimaußenposten für den Wissenschaftler Tolian Soran gestohlen, welcher an einer experimentellen Trilithiumwaffe arbeitete, um alle Fusionsprozesse in einem Stern auf einen Schlag stoppen zu können. Es gelang den Romulanern, Soran und das Trilithium zu lokalisieren, woraufhin sie das Observatorium angriffen und seine Besatzung töteten. Obwohl die Föderation das brutale Vorgehen der Romulaner scharf verurteilte, hatte der Zwischenfall keine bleibenden Folgen. Tatsächlich hatte sich die Planetenallianz in eine schwierige Situation gebracht, da Soran sich als Wissenschaftler der Föderation ausgegeben hatte. Die Romulaner wiederum hatten die Zerstörung des Observatoriums in Kauf genommen, weil sie offenbar bezweifelten, dass es deshalb Krieg geben würde (VII: Treffen der Generationen).
  • Nach der Zerstörung von Schiffen, Stationen und Kolonien im Gamma-Quadranten durch die Jem’Hadar begann das Sternenimperium eine große Gefahr im Dominion zu sehen. Daher erklärte sich die romulanische Regierung unter Modifikation des bestehenden Algeron-Vertrags bereit, die experimentelle U.S.S. Defiant der Sternenflotte mit einer (verschlüsselten) Tarnvorrichtung auszustatten, die sie exklusiv im Gamma-Quadranten einsetzen durfte, um Daten über die Gründer und ihr Reich zu sammeln (DS9 3×01; 3×02). Im Gegenzug verlangten die Romulaner regelmäßigen Zugriff auf die Tarnung und v.a. eine detaillierte Offenlegung aller von der Defiant gesammelten Informationen. Die von der Sternenflotte gewonnenen Daten verleiteten das Imperium im Laufe des Jahres 2371 zur Erkenntnis, dass das Dominion die größte Bedrohung des Quadrantengefüges der letzten 100 Jahre sei. Um sich vor einer Invasion zu schützen, unternahmen romulanische Militärs den Versuch, das Bajoranische Wurmloch zu vernichten, damit der Weg in den Alpha-Quadranten für die Armeen der Gründer versperrt sein würde. Die Romulaner konnten von Commander Benjamin Sisko aufgehalten werden. Da die romulanische Regierung jede Mitwisserschaft abstritt, blieb offen, ob es sich um eine Einzeltat oder ein von oben geplantes Vorhaben handelte (DS9 3×17).
  • Obwohl 2374 bereits der Dominion-Krieg tobte, entführte eine Gruppe von Romulanern den Prototypen der U.S.S. Prometheus, einen neuartigen und experimentellen taktischen Kreuzer der Sternenflotte. Die Entführung sollte nicht nachweislich auf das Sternenimperium zurückfallen, doch durch die überraschende Intervention zweier Medizinisch-Holografischer Notfallprogramme flog sie letztlich auf und konnte vereitelt werden. Die ohnehin schwierigen Beziehungen wurden zusätzlich belastet, aber ein offener Konflikt entstand nicht. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass es sich bei den Entführern der Prometheus um eine eigenmächtig agierende Fraktion handelte (VOY 4×14).

 

Jahrhunderte waren die Romulaner als mächtiges Imperium gefürchtet. © 2020-23 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

 

Das Tauwetter währt nur kurz, dann folgen neue Krisen

Während des Dominion-Kriegs blieben die Romulaner zunächst abwartend, sahen die Verluste der Föderation durchaus mit einem lachenden Auge und ließen sich sogar aus taktischen Gründen auf einen Nichtangriffspakt mit den Gründern ein. Mithilfe vermeintlicher Beweise, dass das Dominion einen Überfall auf das Imperium plante, konnten die Romulaner aber in der zweiten Jahreshälfte 2374 für die Allianz der Föderation und Klingonen gewonnen werden (DS9 6×19). Aufgrund des Zusammenbruchs der cardassianischen Nation sowie der massiven Verluste des Klingonischen Reichs standen sich in der Zeit nach dem Dominion-Krieg nur mehr die Föderation und die Romulaner als verbliebene Großmächte auf gleicher Augenhöhe gegenüber (DS9 7×16). In den folgenden Jahren kam unter Prätor Hiren eine gemäßigtere Regierung an die Macht, die vorsichtig den Ausgleich mit der Föderation zu suchen begann. Durch den schwerwiegenden Staatsstreich des Remaners Shinzon, bei dem u.a. große Teile des imperialen Senats mittels Thalaron-Anschlag eliminiert wurden, war dieser Regierung jedoch kein langes Leben beschieden. Unmittelbar nach seiner blutigen Machtübernahme stellte sich heraus, dass Shinzon nicht die Absichten verfolgte, die er vorgegeben hatte. Stattdessen gedachte er, einen massiven Thalaron-Schlag gegen das Herz der Föderation zu führen. Gemeinsam mit zwei romulanischen Norexan-Kreuzern, kommandiert von Commander Suran und Commander Donatra, gelang es der U.S.S. Enterprise-E unter dem Befehl von Captain Picard seinen Klon Shinzon im Bassen-Bruch nahe der Neutralen Zone unter großen Verlusten aufzuhalten. Diese gemeinsame Operation schien zunächst die Bande zwischen Föderation und Sternenimperium wieder zu festigen. Beiden Mächten war wieder einmal vor Augen geführt worden, dass ein kriegerischer Konflikt in niemandes Interesse sein konnte. Ende 2379 gehörte die U.S.S. Titan einer Task Force der Sternenflotte an, die zur Stabilisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Erde und Romulus in Richtung Neutrale Zone aufbrach (X: Nemesis). Shinzons rascher Tod hinterließ allerdings ein immenses Machtvakuum im Imperium. Da der Großteil der politischen Eliten eliminiert worden war, witterten zahlreiche Gruppierungen die Möglichkeit zur Machtergreifung. Dies trug nicht zur inneren Stabilität bei, auch wenn sich schließlich eine neue Regierung konstituieren konnte.

Im Laufe des Jahres 2387 verwandelte sich der Stern des romulanischen Heimatsystems in eine Supernova bislang unbekannten Typs. Diese war so mächtig, dass spekuliert werden kann, ob sich hinter ihr beispielsweise eine Graviton-Ellipse verborgen haben könnte, die sich im Innern der Romulus-Sonne an der Schwelle zwischen Normalraum und Subraum festgesetzt hatte (VOY 6×08). Die Explosion vernichtete Romulus, Remus und sämtliche Planeten des Systems sowie eine Reihe benachbarter Sonnensysteme innerhalb der Herzkammer des romulanischen Hoheitsgebiets vollständig. Zudem brach die Infra- und Versorgungsstruktur des kolonialen Netzwerks weitgehend zusammen. Trotz bereits seit Jahren laufender Evakuierungsbemühungen nicht nur des Romulanischen Sternenimperiums, sondern auch maßgeblich der Föderation, welche von 2381 bis 2385 eine ausgedehnte und ressourcenintensive Rettungsmission durchführte (siehe Kapitel 3 bzw. Kapitel 14), starben hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Romulaner und Mitglieder anderer im Sternenimperium beheimateter Spezies. Bemühungen des vulkanischen Wissenschaftsrates, auf den letzten Metern der Detonation des Sterns mithilfe des Einsatzes von Roter Materie zuvorzukommen, schlugen fehl. Botschafter Spock, der seit Jahrzehnten für die friedliche Wiedervereinigung von Vulkaniern und Romulanern eingetreten war (TNG 5×07; 5×08; DSC 3×07), wurde bei diesem Einsatz in ein alternatives Universum des Jahres 2258 versetzt (zusammen mit dem ehemaligen Bergbauer Nero, der den Untergang von Romulus nicht verkraftete und Spock persönlich hierfür verantwortlich machte (XI: Star Trek (2009)).

 

2387 bricht die romulanische Supernova aus. © 2009 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

 

Ein zersplittertes Volk

PICARD zeichnet gerade während seiner ersten Staffel ein recht widersprüchliches, da unverbundenes Bild der Romulaner. Oft fehlen genauere Informationen und Hintergründe, doch wir sehen von dem nach der Supernova-Explosion stark veränderten und gezeichneten Volk unterschiedliche Facetten, die in den entsprechenden Episoden eher lose nebeneinander existieren. Wie können wir uns vorstellen, was mit dem einstmals so mächtigen Romulanischen Sternenimperium an der Schwelle zum 25. Jahrhundert geschehen ist? Vieles spricht dafür, dass das romulanische Reich nach dem Untergang von Romulus in eine Reihe von Entitäten – und teils auch schlichtweg gesetzlose Gebiete – zerfallen ist, also in unterschiedliche Einzelgebiete, die keinerlei Zusammenhalt mehr haben, geschweige denn eine dominierende Autorität. Damit zusammenhängend, sind in den jeweiligen Territorien verschiedene Fraktionen zu wichtigen Playern aufgestiegen. Tatsächlich gibt es starke Hinweise, dass einige von ihnen einander spinnefeind sind. Womöglich kam es zwischen den verschiedenen Fraktionen, die um die Konkursmasse des Imperiums stritten, mitunter zum offenen Bruch, was wohl auch weltanschauliche Gründe hat. Das würde darauf verweisen, dass das romulanische Reich, wie es über etliche Jahrhunderte bestand, v.a. durch eine übermächtige Zentralgewalt zusammengehalten worden war; sobald diese autoritäre Klammer entfiel, sorgten Fliehkräfte dafür, dass das so lange unter Prätor und Senat geeinte Herrschaftsgebiet in verschiedene Provinzen zerbrach. Manche davon waren bereit, mit der Föderation zum gegenseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten, andere verfolgten gänzlich andere Ziele. So sollen uns Pragmatiker, Idealisten, Fanatiker und schlicht Ganoven und Warlords begegnen, die aus dem Kollaps des Riesenreichs hervorgegangen sind. Im Einzelnen sehen wir die folgenden Akteure:

  • Wir erfahren von der Existenz des Romulanischen Freisstaats. Es ist anzunehmen, dass es sich hierbei um einen von mehreren Staaten handelt, der aus den Überresten des Imperiums hervorgegangen ist. Zwar hören wir nicht sonderlich viel über diesen neuen Machtblock und inwiefern er sich politisch vom früheren Sternenimperium unterscheidet (steht ‚Freistaat‘ für eine freiheitlichere, vielleicht sogar demokratische Gesellschaftsordnung?). Allerdings sehen wir, dass der Romulanische Freistaat die Rückgewinnungsanlage auf dem ‚Artefakt‘ (stillgelegter, vom Kollektiv getrennter Borg-Kubus) eingerichtet hat und verwaltet. Hierbei erfolgt eine enge, gut geregelte Kooperation mit der Föderation. So erfahren wir, dass der Freistaat ein Abkommen mit selbiger geschlossen hat, wodurch es der Planetenunion möglich ist, Wissenschaftler mit Diplomatenstatus zu Forschungszwecken zum ‚Artefakt‘ zu schicken (PIC 1×06). Der Exekutivdirektor des Borg-Rückgewinnungsprogramms ist Hugh, mutmaßlich ebenfalls ein Bürger der Föderation (PIC 1×03). Die gemeinsame Erforschung des ‚Artefakts‘ verspricht Synergieeffekte für beide Partner. So lässt sich die Borg-Technologie genau studieren und die Entwicklung verbesserter Verteidigungssysteme vorantreiben. Wie wir noch erfahren werden, wird die Sternenflotte einige erfolgreiche Resultate der langjährigen Untersuchung des ‚Artefakts‘ in ihre neuen Raumschiffe überführen (PIC 2×01). Auf der humanitären Seite können Freistaat und Föderation von sich behaupten, dass sie ehemaligen Borg (xBs) helfen, sich von ihren Implantaten zu befreien, wieder in die Gemeinschaft zurückzufinden und ihr Assimilationstrauma zu überwinden. Es spricht einiges dafür, dass der Freistaat auch anderen Mächten gestattet hat, im definierten Rahmen am Rückgewinnungsprogramm teilzunehmen. Dies kann als intergalaktisches Projekt zur friedlichen Kooperation und Mehrung des Wissens verkauft werden; es ist aber auch nahe liegend, dass der Freistaat ein Geschäftsmodell daraus gemacht hat.
  • Bereits zu Zeiten des Sternenimperiums galt der autark operierende Tal Shiar als eine Art Staat im Staate, der im Zweifel auch auf eigene Faust operierte. Tendenzen in diese Richtung sahen wir besonders krass in der DS9-Doppelfolge Der geheimnisvolle Garak, wo sich der Tal Shiar und der Obsidianische Orden hinter dem Rücken ihrer Regierungen verbündet hatten, um gegen das Dominion vorzugehen (2371). In PICARD stellt sich heraus, dass der galaxisweit berüchtigte romulanische Geheimdienst im Zuge des Zusammenbruchs von Romulus aufgrund seiner stringenten Ideologie, seines unerbittlichen Herrschaftsanspruchs und der massiven Ressourcen, die er im Laufe von Jahrhunderten akkumulierte, selbst zu einem staatsähnlichen Machtfaktor aufgestiegen ist (womöglich mit einem ganz eigenen Territorium?). Allerdings scheint sich seine innere Tektonik im Laufe der Jahre beträchtlich verändert zu haben. So erlangte der Zhat Vash – eine verborgene sektenartige Sektion im Zentrum des Tal Shiar – immer mehr an Einfluss und stellte weite Teile der Organisation unter seine Kontrolle. Anders als der kühl kalkulierende reguläre Tal Shiar können die Agenten des Zhat Vash nur als Fanatiker bezeichnet werden, die jahrtausendealten Mythen, Ritualen und Prophezeiungen anhängen. So erfahren wir, dass die Zhat Vash jegliche Art von hoch entwickelter künstlicher Intelligenz verabscheuen und diese zu vernichten trachten, weil sie ansonsten die Ausrottung allen Lebens fürchten (PIC 1×02). Damit brüstet sich der Zhat Vash mit einem vermeintlich gutmeinend-defensiven Ehrenkodex, der nicht mehr und nicht weniger als den Schutz des Lebens in der Galaxis im Sinn hat. Die quasi-religiöse Ideologie hat dazu geführt, dass die Zhat Vash auch die Föderation unterwanderten, die bei der Forschung an künstlichem Leben besonders weit gekommen ist. Im Jahr 2385, auf dem Höhepunkt der Sternenflotten-Evakuierung romulanischer Bürger, nahm ihre Anführerin Oh eine Infiltration der Arbeitsandroiden auf dem Mars vor. Infolgedessen revoltierten diese und zerstörten weite Teile der Utopia Planitia-Flottenwerften. Oh erreichte ihr Ziel, dass die Föderation jegliches synthetisches Leben verbot. Obwohl die Verschwörung erst rund anderthalb Jahrzehnte würde aufgedeckt werden können, hat der Zhat Vash damit demonstriert, wo seine Prioritäten liegen und dass er für seine fanatische Ideologie bereit ist, viele unschuldige Romulaner in den Tod gehen zu lassen, wurde doch als Folge seiner Tat die Sternenflotten-Rettungsmission abrupt eingestellt. Davon unbeeindruckt, würde Oh ihre Tätigkeit als Maulwurf innerhalb der Sternenflotte fortsetzen. Unter falscher Identität würde sie es bis zur Leiterin der Sternenflotten-Sicherheit bringen.
  • Nach dem Zusammenbruch des alten romulanischen Großreichs tritt eine Gruppierung zutage, die vorher von der Zentralmacht unterdrückt und marginalisiert wurde. Ähnlich wie die lange Zeit im Verborgenen agierende pazifistische Vereinigungsbewegung um Botschafter Spock (die ebenfalls nach 2387 fortbestehen wird) fühlen sich ihr nicht wenige Romulaner durchaus verbunden. Die Rede ist von den Qowat Milat, ihres Zeichens ein Zusammenschluss verschiedener Orden asketischer Kriegernonnen. Die Qowat Milat stellen, wenn man so will, den philosophischen Gegenpol zum Tal Shiar und seiner weltanschaulichen Doktrin dar. Während dort alles prinzipiengetreu auf Geheimhaltung, Intrigen, Verschleierung, Doppelbödigkeit, Lügen und Verschwörungen basiert, gibt es bei den ebenfalls von einem Ehrenkodex geleiteten Qowat Milat keinen Unterschied zwischen Gedanken und Äußerung bzw. Handlung (PIC 1×04). Der von ihnen vertretene Weg der absoluten Offenheit bedeutet in der Praxis: Gedanken und Gefühle werden ungefiltert kommuniziert; sie sagen stets die schmerzhafte Wahrheit und handeln immer offen und klar nach dem, was sie im Geist bewegt. Das hat etwas Befreiendes und Urdemokratisches. Die im Kampf mit dem Tan Qalanq geschulten Kriegernonnen wenden Gewalt niemals sinnlos oder ohne Vorwarnung an, während ihr geheimdienstliches Negativspiegelbild Mord und Totschlag nicht nur als probates Mittel zur Erreichung der eigenen Ziele sieht (Sektion 31 lässt grüßen), sondern hemmungslos praktiziert. Aus gutem Grund haben die Qowat Milat daher viele Sympathisanten außerhalb ihrer eigentlichen Gruppierung; sie repräsentieren vielmehr eine Art weltanschauliche Strömung, vergleichbar vielleicht mit dem Zen-Buddhismus oder Suraks Philosophie. Darin steckt enormes gesellschaftliches Veränderungspotenzial.
  • Displaced persons: Die Vernichtung der romulanischen Heimatwelt und die abrupte Einstellung der von der Föderation geleisteten Hilfsmission infolge der Zerstörung der Utopia Planitia-Werften hat zahllose Romulaner dauerhaft zu Heimatlosen und Vertriebenen gemacht. Plötzlich saßen viele Flüchtlinge in Zwischenlagern fest, die nie als dauerhafte Aufenthaltsorte gedacht waren, und in Anbetracht der aufgekündigten Unterstützung verfielen ihre Quartiere und ihre Versorgungsstrukturen. Anfängliche Hoffnungen, die umgesiedelten Personen könnten auf Welten wie Vashti in Harmonie mit der bestehenden Bevölkerung leben, bewahrheiteten sich nicht; sie wurden zu Abgedrängten in Ghettos. Viele ehemals romulanische Bürger sind in der neuen galaktischen Realität nur noch Entwurzelte, Heimat- und Identitätslose, ohne Staatszugehörigkeit und Perspektive. Nichts symbolisiert dies so sehr wie der bittere Vortrag des ehemaligen romulanischen Senators Tenqem Andrev, dem Jean-Luc Picard in PIC 1×04 auf Vashti begegnet. Da sich auch das alte romulanische Imperium nie wieder konstituierte und zu alter Stärke wiedererhob, besteht keine Hoffnung mehr, dass die verstreuten Ex-Bürger der einstigen Großmacht eines Tages wieder ihren alten Status wiedererlangen. Die romulanische Zentralmacht ist Geschichte, und die Flüchtlinge und Umgesiedelten wurden vergessen.
  • Kriminelle, Warlords: Wir erfahren, dass im Zuge des gewaltigen Exodus und der allgemeinen Perspektivlosigkeit nicht wenige Romulaner nach dem Zusammenbruch ihrer Welt(en) ins kriminelle Milieu abgewandert sind. Tatsächlich scheint eine Reihe von ihnen regelrecht Karriere in der Unterwelt gemacht zu haben, sich in Verbrechersyndikaten zu bewegen oder als Piraten bzw. Warlords zu verdingen. Während der ersten Staffel hören wir etwa von Kar Kantar, der u.a. mit einem erbeuteten Bird-of-Prey den Qiris-Sektor zwischen Vashti und Daimanta unsicher macht und die lokalen Bevölkerungen (unter denen auch romulanische Flüchtlinge sind) ausplündert. In Staffel drei wird angedeutet, dass verschiedene romulanische Dissidenten in den Untergrund gegangen und auf M’talas Prime – einem Hotspot krimineller Kartelle – entsprechende Strukturen aufgebaut haben. Unter ihnen befindet sich Lurak T’Luco, Auftragskiller und Anführer einer Rebellengruppe (PIC 3×02).
  • Paramilitärs und nicht-staatliche Akteure: Oben haben wir von den vielen Flüchtlingen und in Zwischenlagern sich selbst überlassenen Romulanern und anderen früheren Einwohnern des romulanischen Reichs gesprochen. Da sich von staatlicher Seite niemand mehr wirklich um sie kümmert, haben sich idealistische und paramilitärische Gruppen dem Schutz und der Versorgung der Bevölkerungen im Gebiet der ehemaligen Neutralen Zone angenommen. Zu diesen moralisch motivierten, aber Selbstjustiz übenden Gruppen gehören die Fenris-Rangers, die v.a. im Gebiet der ehemaligen Neutralen Zone zwischen Vashti, Daimanta und Freecloud im Qiris-Sektor operieren. Die Fenris-Rangers versuchen aber nicht nur zu schützen, sondern so etwas wie Ordnung aufrechtzuerhalten, womit sie als parastaatlicher Akteur auftreten. Es ist anzunehmen, dass sich ihnen auch Romulaner anschlossen und sie insofern Zulauf aus verschiedenen Teilen des Weltraums bekamen. Auch humanitäre Organisationen wie die Mariposas operieren in diesen Gebieten und greifen ihrerseits gelegentlich auf halblegale Methoden zurück, um den Notleidenden und Gepeinigten auf den zurückgelassenen Welten Hilfe zukommen zu lassen.

 

Der Zhat Vash repräsentiert die radikale Seite der Romulaner. © 2020-23 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

 

Nichts mehr so wie es war, nichts so, wie wir hofften

Gerade einmal ein knappes Jahrzehnt nach den Ereignissen von Nemesis ging die Herzkammer eines der beständigsten Gegner der Föderation gewissermaßen in einem Wimpernschlag unter. Mit dem Untergang von Romulus endete zugleich die Existenz einer festgefügten imperialen Zentralmacht, und es kam unausweichlich zu einem Zerfall in verschiedene Territorien und zum Entstehen gesetzloser Zonen innerhalb des einstigen romulanischen Raums. Es ist nicht mehr und nicht weniger als der Beginn einer neuen stellarpolitischen Ordnung, und die Art wie die Föderation mit ihr umgeht (nämlich isolationistisch bis nationalistisch), hat den Zusammenbruch und damit den Charakter der Zäsur erheblich verschärft. Rückblickend betrachtet, ist das Verschwinden des großen romulanischen Widersachers von der stellarpolitischen Karte nicht ohne bittere Ironie. Wie oft mögen sich Sternenflotten-Offiziere und Föderationsbürger über die Jahrhunderte hinweg von Herzen gewünscht haben, das Sternenimperium möge ganz einfach aufhören zu existieren? Exakt das ist im Vorfeld von PICARD nun geschehen, und es erweist sich, dass es sehr wohl noch schlimmere Dinge geben kann als einen unberechenbaren und keineswegs freundlich gesinnten großen Nachbarn, mit dem einen eine komplizierte und von Misstrauen geprägte Geschichte verbindet. Betrachtet man die Dinge bei Licht, haben die Romulaner seit über einem Jahrhundert – freiwillig wie unfreiwillig – eine Menge zur Stabilität der intergalaktischen Sicherheitsordnung beigetragen. Denn wenn es darauf ankam, waren sie darauf aus, einem erneuten schrankenlosen Krieg aus dem Weg zu gehen und waren für Argumente empfänglich, mögen sie auch die Föderation vielfältig herausgefordert sowie gegenüber kleineren, schwächeren Mächten eine rücksichtslose Großmachtpolitik betrieben haben. Soviel können wir festhalten: Das Romulanische Imperium, wie es seit dem 23. Jahrhundert bestand, war eine weitgehend auf Konsolidierung ausgerichtete, halbwegs saturierte Macht mit ausgeprägtem Interesse an der Aufrechterhaltung des Status quo.

Das weitreichende allegorische Potenzial der gefallenen Romulaner wird somit deutlich: Heutzutage gibt es in der westlichen Welt nicht Wenige, die Russland einen totalen Zusammenbruch wünschen. Doch besehen wir uns, was aus dem Kollaps der romulanischen Sphäre wurde, ist dies eine mehr als nur deutliche Warnung vor den unberechenbaren Konsequenzen möglicher Umwälzungen in unserer realen Welt. Woher nehmen wir eigentlich die Sicherheit, zu behaupten, dass ein zersplittertes, in Chaos und Anarchie versunkenes Großreich weniger gefährlich ist? Spock sprach einst den weisen Satz „Die Natur verabscheut ein Vakuum“ (VI: Das Unentdeckte Land), und tatsächlich sehen wir am Beispiel der Romulaner, dass die Abwesenheit von staatlicher Kontrolle von anderen Gruppen gefüllt wurde, die oft alles andere denn hehre Absichten verfolgen. Wie wir erkennen, ist wie bei einem Pulverfass die gesamte innere Struktur des alten Romulanerreichs implodiert, was neue, teils ungekannte Akteure in die vordere Reihe der Macht katapultiert hat. So erlangte der Geheimbund Zhat Vash im Gehäuse des Tal Shiar sukzessive ein Ausmaß an Einfluss und Kontrolle, den es zuvor nicht gegeben hatte. Dadurch kam er in die Lage, die Föderation effektiv zu unterwandern, eine eigene Flotte hochzuziehen und ein neues Bedrohungspotenzial aufzubauen. Infolgedessen hat ein neuer ‚Phänotyp‘ Romulaner die Bühne betreten, der das jahrhundertelange Bild von diesem Volk in Frage stellte. Einstmals noch messerscharf kalkulierend und nach Kosten-Nutzen-Bewertungen vorgehend, sehen wir anhand der Zhat Vash eine erstarke Fraktion von Fanatikern und Eiferern, die bereit sind, sogar romulanische Leben zu opfern, um ihren spiritistischen Zielen Rechnung zu tragen. Auf der anderen Seite besteht auch die Hoffnung, dass dieser entfesselten Geisteshaltung etwas entgegengesetzt werden könnte, denn mit den Qowat Milat hat sich auch ein lange Zeit kleingehaltener Gegenpol öffentlich etabliert und gewinnt allmählich an Wirkmacht. Ähnlich wie wir heute auf die Ära des Kalten Kriegs blicken, wird erst im Nachhinein erkennbar, wie viel Stabilität das vermeintlich so lange antagonistische romulanische Reich und die Existenz weniger überschaubarer Machtblöcke für die zivilisierte Galaxis bereithielten. Es wird keinen Weg zurück geben, sondern nur einen konstruktiven Umgang mit der schwierigen Situation. Die Föderation wird früher oder später wieder mehr Verantwortung übernehmen müssen, wenn ihr an der Konsolidierung der galaktischen Verhältnisse gelegen ist.

 

Die Qowat Milat: Hoffnungsträger eines neuen Romulus? © 2020-23 CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

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