Steckbrief
Vorangegangene Serie(n): TNG (Season 1 – 7); DS9 (Season 4 – 7)
Filme: Star Trek VII – X
Auftauchen in PICARD: Staffel 3
Spezies: Klingone
Geboren: 2340, Qo’noS
Eltern: Moghs Gattin (Mutter); Mogh (Vater); Helena Rozhenko (Adoptivmutter); Sergey Rozhenko (Adoptivvater)
Rolle in PICARD: ehemaliger Erster Offizier der U.S.S. Enterprise-E (2379 – 2381) sowie im Anschluss Captain (2381 – 2386); nun assoziierter Mitarbeiter des Sternenflotten-Geheimdienstes
Kind(er): Alexander Rozhenko
Schauspieler: Michael Dorn
Kaum ein Charakter im Star Trek-Universum hat eine derartige Entwicklung hingelegt wie der Klingone Worf. In TNG rückte er rasch die Ränge auf und erlebte mehrere eindrucksvolle Höhepunkte; ab der vierten Staffel von DS9 wurde er von der Vorgängershow importiert und war bereits nach kurzer Zeit von der berühmten Raumstation am Rande des Bajoranischen Wurmlochs nicht mehr wegzudenken. Daneben kehrte er in den TNG-Kinofilmen zurück auf die Enterprise und schrieb insofern auch auf der großen Leinwand weiter Star Trek-Geschichte. In der finalen Season von PICARD ist er, mehr als 20 Jahre nach dem Ende von Nemesis, wieder mit von der Partie – und lässt in jeder Hinsicht erkennen, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist.
Wie wurde Worf der, der er ist?
Im TNG-Auftakt Mission Farpoint noch ein ‚Hinterbänkler‘ auf der Brücke und als zweitrangige Figur mit wenigen, recht stereotypen Charaktereigenschaften angelegt, stieß Tasha Yars früher Tod (TNG 1×23) eine Tür für Worf auf – er wurde ab dem zweiten Jahr der Serie fester Teil des Hauptcasts. Seitdem gewann der lakonische Taktik- und Sicherheitschef von Staffel zu Staffel beständig an Format und wurde in der zweiten Hälfte der Serie zu einer tragenden Figur, die Stoff für dramatische Erzählungen bot. Hin und her gerissen zwischen seiner Sozialisation unter Menschen als nach dem Khitomer-Massaker adoptiertes Waisenkind (TNG 1×20; 1×26; 6×16; 6×17) und seiner klingonischen Herkunft, wurde Worf nicht nur in Verschwörungen und Bürgerkriege im Klingonischen Reich verwickelt (TNG 3×17; 4×26; 5×01). Eine Zeitlang sehnte er sich danach, zu seinem Volk zu gehören, doch je mehr er mit Klingonen zusammentraf, desto mehr erkannte er, dass er qua seiner besonderen Identität ein komplexer Zwischenweltler geworden ist, mit einer einzigartigen Perspektive. Worf nahm das Beste aus beiden Welten, denen er entstammte, und machte sich eine Ehre und Rechtschaffenheit zu eigen, die stets intakt und nicht kompromittierbar war, ganz egal, welche schweren Prüfungen ihm auferlegt wurden (v.a. wenn die klingonische hohe Politik ihn zu ihrem eigenen Vorteil zu erpressen oder als Sündenbock zu verwenden gedachte).
Als Worf nach der Zerstörung der Enterprise-D bei Veridian III (VII: Treffen der Generationen) nach Deep Space Nine wechselte, um dort unter dem Kommando von Captain Benjamin Sisko die Rolle des Offiziers für strategische Operationen einzunehmen (DS9 4×01; 4×02), wuchs er endgültig über sich hinaus. In den Wirren des Dominion-Kriegs verwandelte sich Worf zu einem furchtlosen Sternenflotten-Vorkämpfer an vorderster Front, um den Alpha-Quadranten vor der Unterjochung zu bewahren. Dabei trat er gegen äußere wie innere Gegner an, kommandierte regelmäßig die U.S.S. Defiant (DS9 4×12; 4×18; 7×01; VIII: Der Erste Kontakt), geriet in Kriegsgefangenschaft in einem Dominion-Internierungslager, überlebte hartnäckig und wagte den Ausbruch (DS9 5×14; 5×15). Zudem wurde er erneut in klingonische Ränkespiele und Machtkämpfe verwickelt, in denen er zum allgemeinen Wohl Position beziehen musste. Die Mobilisierung herkulischer Energien, Durchhalte- und Willenskraft wäre nicht denkbar gewesen ohne das, was Worf auf DS9 im Privaten erfuhr. Er wurde ein kühner Kriegerpoet, der mit der so gänzlich anderen Jadzia Dax nach K’Ehleyr (TNG 4×07) seine zweite große Liebe fand und heiratete (DS9 5×03; 6×07). Mit dem klingonischen General Martok erhielt er einen väterlichen Mentor und Freund, der ihn in der Phase seiner erneuten Entehrung durch Gowron sogar in sein Haus aufnahm (DS9 5×21). Gerade in den DS9-Jahren – mochten sie in Teilen auch tragisch für ihn verlaufen – lernte Worf eine Menge über sich selbst, wuchs über sich hinaus. So ließ er eine wichtige Geheimdienstmission auf Soukara scheitern, um das Leben seiner Frau zu retten – eine Entscheidung, die ihm einen folgenschweren Eintrag in seine Dienstakte einbringen sollte (DS9 6×16). Was für ein unglaublicher Wandel eines Mannes, für den Pflichterfüllung stets das Höchste gewesen war. Jadzias Tod wenige Monate später war eine schwere Prüfung für Worf (DS9 6×26), der es jedoch mithilfe seiner Freunde und seiner Orientierung an der klingonischen Spiritualität schaffte, diesen Verlust zu verarbeiten – er sicherte Jadzia einen würdigen Platz im Sto’Vo’Kor, dem klingonischen Äquivalent des Himmels (DS9 7×02). Seinerseits ein Sonderling in seinem Volk, erlangte der ehrenvolle, zu sich selbst so strenge Worf viel Einfluss in der politmilitärischen Sphäre des Klingonischen Reichs, sodass er zum Bindeglied zwischen verschiedenen bedeutenden Kräften wurde. Am Ende wurde er sogar im wahrsten Wortsinn zum Königsmacher: In der Schlussphase des Dominion-Kriegs forderte er den korrumpierten Kanzler Gowron in einem Bat‘leth-Duell auf Leben und Tod heraus, um zu verhindern, dass persönliche Machtgier den Triumph über den Aggressor aus dem Gamma-Quadranten zugrunde richtete. Indem Worf Gowron tötete, sorgte er dafür, dass Martok der neue Kanzler des Hohen Rats werden konnte – was auch der Föderation-Klingonen-Allianz eine ganz neue Zukunftsperspektive verschaffte (DS9 7×22).
Am Ende der vier überaus intensiven und wechselvollen Jahre auf DS9 war Worf mit allen Wassern gewaschen, hatte in seinem Dienst für die Sternenflotte wie als Privatperson Triumph und Niederlage, Glück und Unglück erfahren. Er hatte sich endgültig zu einer vielschichtigen und komplexen Persönlichkeit entwickelt, die die spannungsreichen Teile seines Selbst miteinander in Einklang bringen konnte. Damit besaß er die Voraussetzungen, der Mann zu werden, als den wir ihn in PICARD neu kennenlernen dürfen.
Wie ging Worfs Leben nach dem Ende von DS9 weiter?
Am Ende des DS9-Finales Das, was du zurücklässt (7×25; 7×26) endete nicht nur der jahrelange Dominion-Krieg. Auch die Führungsmannschaft der Station schlug nach dem physischen Tod Benjamin Siskos in Bajors Feuerhöhlen weitenteils neue Wege ein. Dies galt auch für Worf, der von Kanzler Martok darum ersuchte wurde, die vakante Rolle des Föderationsbotschafters auf Qo’noS zu übernehmen. Vieles spricht dafür, dass Worf nicht aus Begeisterung über die Stellenbeschreibung diesen für ihn ungewöhnlichen Posten antrat, sondern vielmehr aus persönlicher Loyalität seinem engen Freund gegenüber. Martok hatte ihn zu Recht daran erinnert, dass er ohne Worfs Intervention zum Ende des Dominion-Kriegs nie zum politischen Führer des Klingonischen Reichs aufgestiegen wäre. Und angesichts des Umstands, dass Martok trotz seiner großen Erfolge im Krieg keine natürliche Hausmacht im Hohen Rat besaß, war absehbar, dass er bei der Stabilisierung seiner Machtbasis Hilfe von Vertrauten benötigen würde. Dieses entwaffnende Argument führte dazu, dass Worf rasch einwilligte.
„Ich bin kein Diplomat.“ – „Und ich bin kein Politiker. Aber manchmal spielt uns das Schicksal üble Streiche, Worf. Komm schon. Qo’noS braucht Dich. Und vor allem brauche ich Dich.“ (Worf und Martok in DS9 7×26)
Wie lange Worf an Martoks Seite auf Qo’noS verweilte und was genau er dort tat, erfuhren wir nicht. Vermutlich ging er zumindest für einige Jahre seinen neuen Aufgaben im Klingonenreich nach, doch besieht man sich Worfs Auftritte in den TNG-Kinofilmen, so können wir redlich daran zweifeln, wie sehr er sich wirklich einer Rolle als Diplomat verpflichtet gesehen hat. Bei seinem Auftauchen in Der Aufstand unmittelbar nach Ende des Dominion-Kriegs wurde deutlich, dass Worf sein Offizierspatent nicht aufgegeben hatte. Insofern lässt sich darüber spekulieren, ob seine Botschafterfunktion nicht vielmehr ein Vorwand war, um Martok jemanden zur Seite zu stellen, der einerseits dessen politische Kontrolle im Reich absichern half (notfalls mit scharfer Klinge) und zugleich die freundschaftlichen Bande zwischen Föderation und Klingonen zum gegenseitigen Nutzen pflegte. Zwei bislang nur im englischen Original vorliegende Romane geben einige Einblicke in die umwälzungsreichen Erlebnisse des schwertschwingenden Botschafters Worf: Diplomatic Implausibility (Keith R.A. DeCandido; 2001) und das zweibändige Abenteuer The Left Hand of Destiny (J.G. Hertzler, Jeffrey Lang; 2003). Früher oder später jedoch begann er sich nach der Sternenflotte zu sehnen, und so kehrte er spätestens nach ein paar Jahren wieder voll in ihre Dienste zurück.
Was führte Worf zurück auf die Enterprise und wie ging es dort für ihn weiter?
Worfs Rückkehr auf die Enterprise (diesmal die ‚E‘ der Sovereign-Klasse) kündigte sich über mehrere Jahre hinweg häppchenweise an. Im achten und neunten Kinofilm (Der Erste Kontakt, Der Aufstand) waren es jeweils Zufälle, die ihn als Gast zu seiner alten Mannschaft zurückführten, sodass er ihr bei mehreren schwerwiegenden Missionen beistehen konnte. Im letzten TNG-Kinofilm Nemesis erschien Worf anlässlich der Hochzeit seiner Freunde William Riker und Deanna Troi auf der Erde und reiste mit der Enterprise anschließend in Richtung Betazed weiter, wo die Feierlichkeiten fortgesetzt werden sollten. Allerdings wurde das Schiff nach Romulus berufen, wo es in die Konfrontation mit dem remanischen Putschisten Shinzon geriet. Auch diese Krise konnten die Enterprise-Besatzung und Worf meistern. Es ist anzunehmen, dass Worf nach 2379 an Bord der Enterprise verblieb und wieder einen festen Posten bekleidete, mutmaßlich als Picards Erster Offizier, nachdem Riker auf die Titan wechselte und Data hierfür nicht mehr zur Verfügung stand. Dies ist die Ausgangskonstellation, die wir zu Beginn der PICARD-Vorgeschichte vorfinden (Roman I). Vieles spricht dafür, dass Worf seine Zeit auf der Enterprise besonders positiv sieht und im Nachhinein womöglich etwas glorifiziert. Hier fand er erstmals wirklich Anschluss und Zugehörigkeit, was ihn darin bestärkte, dass es in Ordnung ist, in kein vorgefertigtes Schema zu passen. Da er wieder für die Sternenflotte arbeiten wollte und seine Zeit auf DS9 definitiv hinter ihm lag, war es für Worf nahe liegend, zu Picard und jener Crew zurückzukehren, die er eigentlich gar nicht hatte verlassen wollen. Erst die Zerstörung der Enterprise-D bescherte ihm einen neuen Lebens- und Karriereweg.
„Erinnern Sie sich vielleicht noch an die Zeit, als wir Captain Picard vor den Borg retteten? […] Das Resultat hatte ich nie angezweifelt. Wir waren schließlich die Krieger aus den alten Heldensagen. Es gab nichts, das wir nicht schafften.“ (Worf in DS9 4×02)
Im Roman Die letzte und einzige Hoffnung wird auch dargelegt, dass Worf Picard 2381 als Captain der Enterprise abgelöst hat, nachdem letzterer die Beförderung zum Admiral annahm, um die Leitung der Evakuierungsmission im romulanischen Raum zu übernehmen. Obwohl die Admiralität zunächst einen Einwand erhob, der sich auf Worfs Handeln während der Soukara-Mission bezog, konnte Picard diese Bedenken ausräumen und den Weg für seinen Wunschnachfolger ebnen.
Den Star Trek: Picard Logs (Social Media-Begleitung zur dritten Staffel) zufolge währte Worfs Dienstzeit als kommandierender Offizier der Enterprise allerdings nur einige Jahre. Offenbar kam es um 2386 zu einem Zwischenfall bei Kriilar Prime, der direkt oder indirekt dazu führte, dass Worf seinen Posten räumte und das Schiff verließ. Da die Enterprise-E offensichtlich im Nachgang jenes Ereignisses außer Dienst gestellt werden musste – was auf massive und irreversible Beschädigungen hindeutet –, kann darüber spekuliert werden, ob Worfs Rücktritt sich darauf bezogen haben mochte. Immerhin fühlt er sich auch im Jahr 2401 immer noch dazu veranlasst, sich für den Verlust der Enterprise-E zu rechtfertigen (was ihm womöglich von manch einem Offizier nachgetragen wird).
„Auf die Enterprise-E können wir ja leider nicht zurückgreifen.“ – „Das war nicht meine Schuld.“ (Geordi La Forge und Worf in PIC 3×09)
Was machte Worf nach Beendigung seiner zweiten Enterprise-Phase?
Vielleicht hängt eben dieser Vorfall damit zusammen, dass Worf seinen weiteren Werdegang grundlegend überdacht hat. Unter dieser Prämisse hätten wir einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren im Vorfeld der ersten PICARD-Season, in denen der Klingone sich neuen Aufgaben zuwandte und irgendwann auf diesem veränderten Lebensweg auch sein reguläres Offizierspatent aufgegeben hat. Es scheint sich eher um einen freiwilligen Ausstieg gehandelt zu haben als dass ihm ein solcher Schritt nach dem Verlust der Enterprise nahegelegt worden wäre. Allerdings wäre auch denkbar, dass der Missmut über das Schicksal des Flaggschiffes jene Admiräle in ihren Vorurteilen bestärkte, die ihn 2381 als Kommandanten hatten verhindern wollen. Es könnte also sein, dass Worf infolge der Außerdienststellung der Enterprise-E eine weitere Kommandolaufbahn verwehrt wurde. Die Picard Logs weisen darauf hin, dass eine gewisse Zeit nach seinem Rückzug kein Wissen mehr über Worfs Aufenthaltsort bestand. Dies lässt vermuten, dass er relativ rasch eine Arbeit für den Sternenflotten-Geheimdienst begonnen hat, mit der er auch noch in der dritten Staffel betraut ist. Eine nicht unwichtige Rolle für seine Motivation, sich dauerhaft für den Geheimdienst zu engagieren, scheint seine einstige Kollegin Ro Laren gespielt zu haben, die sich nach ihrer Zeit beim Maquis und dem Absitzen ihrer Strafe bei der Sternenflotte rehabilitierte (TNG 7×24; PIC 3×05). Wann sich Ros und Worfs Wege unter den neuen Vorzeichen kreuzten, ist indes unbekannt. Zu Beginn des 25. Jahrhunderts wird Worf sich Raffaela Musiker gegenüber, nachdem er diese aus den Fängen des Ferengi Sneed befreit hat, in ganz spezifischer Weise ausweisen:
„Sie sind mein Kontakt? Von der Sternenflotte?“ – „Sagen wir, dass wir ganz ähnliche Bedenken haben. Betrachten Sie mich als…einen Subunternehmer. Da kommt etwas auf uns zu. Eine Art von Angriff. […] Ich fürchte, dass das nur der Anfang von etwas viel Größerem war.“ (Raffaela Musiker und Worf in PIC 3×03)
Dies impliziert die Deutung, dass Worf zu diesem Zeitpunkt kein aktives Mitglied des Geheimdienstes mehr ist als vielmehr eine Art von assoziiertem Bündnispartner mit Sondervollmachten. Solche externen Mitarbeiter in einflussreichen Positionen sind gewiss nicht an der Tagesordnung; es spricht dafür, dass sich Worf in Geheimdienstkreisen inzwischen eine erhebliche Reputation aufbauen konnte. Auf M’talas Prime werden Musiker und Worf weitere Nachforschungen über den Diebstahl einer äußerst gefährlichen Apparatur von der Daystrom-Station anstellen. Diese Ermittlungen, die Musiker, Ro und Worf immer weiter auf die Spuren einer laufenden Formwandlerverschwörung in den Reihen der Sternenflotte stoßen lassen, werden sie nicht nur mit Jean-Luc Picard und der Besatzung der U.S.S. Titan-A zusammenführen, sondern letztlich auch auf die klandestine Daystrom-Station selbst verschlagen.
Wie hat sich Worfs Persönlichkeit im Laufe der Zeit gewandelt?
Erinnern wir uns zunächst an den Worf, wie er uns in TNG gegenübertrat. Gerade zu Anfang der alten Serie erlebten wir einen Mann, der innerlich geradezu zerrissen war: Aufgewachsen als Adoptivkind unter Menschen, kollidierte sein inniger Wunsch, Teil seiner Geburtskultur zu sein, gelegentlich mit seiner Loyalität gegenüber der Sternenflotte (TNG 1×20; 4×26; 5×01; 6×16; 6×17). Dies bedeutet beispielsweise auch, dass Worf den Hass und die Vorurteile seines Volkes in Bezug auf die Romulaner übernahm, deren Attacke auf die Khitomer-Kolonie dafür verantwortlich war, dass er zum Waisen wurde. In der Episode Auf schmalem Grat (TNG 3×07) forderte Picard Worf auf, einem auf Galorndon Core geborgenen romulanischen Soldaten Blut zu spenden, da er befürchtete, ein Tod des Mannes könnte eine Eskalationsspirale zwischen Föderation und Romulanern in Gang setzen. Doch Worf widersetzte sich beharrlich und weigerte sich, einer Bluttransfusion zuzustimmen.
„Ich wurde einst auf Khitomer von Menschen gerettet. Ich wurde großgezogen und geliebt von menschlichen Eltern. Die meiste Zeit meines Lebens verbrachte ich unter Menschen. Ich habe für sie gekämpft. Aber geboren wurde ich als Klingone. Mein Herz schlägt für diese Welt, und ich höre den Schrei des Kriegers. Ich gehöre zu meinem Volk.“ (Worf in TNG 4×26)
Aufgrund seines begrenzten Kontakts zu seinem eigenen Volk vertrat Worf eine stark idealisierte Version der klingonischen Kultur, welche der Realität oft nicht gerecht wurde. Dies durfte er nicht zuletzt am eigenen Leib erfahren, als er aufgrund einer politischen Intrige die illegitime Entehrung seines Vaters erdulden musste (TNG 3×17). Auch seine spätere Frau Jadzia würde bei mehr als nur einer Gelegenheit feststellen, dass Worf, wann immer es um die klingonische Kultur ging, einen „verklärten Blick“ habe. Dies schlug sich neben einer glühenden Begeisterung für klingonische Opern (TNG 5×08; DS9 5×03; 5×14; 7×17) beispielsweise in Worfs verbissener Festlegung auf eine Hochzeit nach klingonischer Tradition nieder – eine Entscheidung, die für Konfliktstoff mit Jadzia sorgte (DS9 6×07). Langfristig jedoch entpuppte sich Worfs romantische Verklärung des klingonischen Wegs als große Stärke, trug sie doch dazu bei, einen Charakter von enormer Integrität, kompromissloser Rechtschaffenheit und großem Mut zu schaffen, bei dem die Ritterlichkeit keine bloße Fassade war, um niedere Instinkte zu kaschieren. Nicht nur die TNG-Crew, sondern auch seine DS9-Kameraden würden bei verschiedenen Gelegenheiten bemerken, dass es sich bei Worf um einen im Kern herzensguten Mann handelt.
„Sie waren der einzige Klingone, der je in der Sternenflotte gedient hat. Das ist etwas Besonderes. Aber ich glaube, was wirklich einzigartig an Ihnen ist, ist Ihre Menschlichkeit. Ihr Mitgefühl, Ihre Großzügigkeit, Ihre Fairness. […] Das Ergebnis war ein Mann, den ich mit Stolz einen meiner Offiziere nannte.“ (Jean-Luc Picard in TNG 4×26)
Obwohl Worf einer Spezies entstammt, die als aggressiv und unbeherrscht gilt, entzog er sich diesen verbreiteten Klischees. Anders als viele Vertreter seines Volkes war Worf zurückhaltend, verschlossen, mürrisch und teils sogar schüchtern, mochte er in bestimmten Situationen auch schon mal aufbrausend reagieren. Beverly Crusher und auch Guinan beschrieben Worf als einen Klingonen, der selten lächelte und schon gar nicht lachte. Worfs Ruf, über keinen Humor zu verfügen, führte dazu, dass sowohl Freunde als auch Widersacher ihn damit aufzogen.
„Sie tun es nicht, aber ich habe Klingonen lachen gehört, dass sich einem die Haare kräuseln. Ihr Sohn lacht auch. Er ist ein Klingone.“ – „Er ist ein Kind und teilweise menschlich.“ – „Das stimmt. Und Sie sind das nicht. Sie sind ein echter Klingone. Außer dass Sie nicht lachen.“ – „Ich lache deshalb nicht, weil mir nicht nach lachen zumute ist.“ – „Andere Klingonen lachen aber gerne. Was sagt das über Sie aus, Worf?“ – „Vielleicht sagt das aus, dass ich nicht so empfinde wie andere Klingonen.“ (Guinan und Worf in TNG 4×26)
Ganz sicher sagte es etwas über Worf aus, dass er sowohl in der menschlichen wie klingonischen Gemeinschaft ein Außenseiter war. Im Laufe von TNG, weit mehr aber noch in den DS9-Jahren konnten wir bei Worf allerdings deutlich beobachten, wie er sich zu öffnen begann. Dies hatte unmittelbar mit seinem Umfeld an Bord der Enterprise sowie der Raumstation zu tun, welches ihm ein Gefühl von Heimat gab. So vertraute er sich anderen gegenüber an, zeigte in bestimmten Situationen seine Gefühle und ließ sich auf menschliche und menschenähnliche Frauen als (potenzielle) Partnerinnen ein (etwas, das seinen ursprünglichen klingonischen Vorstellungen vom vermeintlich ‚zarten Geschlecht‘ bei anderen Spezies eigentlich nicht entsprach). Manchmal genoss es Worf geradezu, seinen Ruf als stoisch-lakonischer Mann gegen den Strich zu bürsten, indem er seinen Panzer ein Stück weit aufbrach, um Sanftmut oder romantisches Verhalten zu zeigen oder sich sogar an einem Witz zu versuchen (was nicht immer gelang, aber dennoch wertgeschätzt wurde). Gerade Jadzia wusste Worf von Zeit zu Zeit mit liebevollen Gesten so zu überraschen, dass er ihr Herz erreichte („Ich liebe es, wenn Du romantisch wirst“; DS9 6×26). Die Kombination seiner menschlichen Erziehung und seiner klingonischen Geschmacksknospen bescherte Worf einen ungewöhnlichen Gaumen. War er als Kind und Jugendlicher ganz versessen auf traditionelle klingonische Speisen wie Gagh oder Rokeg-Blutpastete (TNG 4×02), lernte er mit der Zeit auch irdische Gerichte und Getränke zu schätzen. So würde Guinan Worf mit Pflaumensaft vertraut machen, das zu einem seiner absoluten Lieblingsgetränke avancieren würde (TNG 3×15; DS9 4×01). Die Veränderung seiner kulinarischen Vorlieben kann man als einen weiteren Ausdruck seiner zunehmenden Selbstakzeptanz als Mann mit zwei Heimatwelten auffassen.
Worf hat sich also seit seinem erstmaligen Erscheinen in Der Mächtige erheblich verändert. Welcher weitere Wandel fällt uns in PICARD auf, deren dritte Staffel immerhin 26 Jahre nach dem Ende von DS9 und 22 Jahre nach Nemesis angesiedelt ist? Tatsächlich fallen uns in den Folgen, in denen ein gealterter, nun weißhaariger Worf in Erscheinung tritt, durchaus frappierende Unterschiede im Vergleich zu seinem jüngeren Ich auf. Dies wird bereits an Raffaela Musikers Kommentar ersichtlich, als sie ihm in 17 Sekunden zum ersten Mal gegenübertritt:
„Worf. Sie sind eine Legende. Picard hat praktisch ständig von Ihnen gesprochen. Sie sind genauso, wie ich Sie mir vorgestellt habe. Aber irgendwie auch ganz anders.“ (Raffaela Musiker in PIC 3×03)
Sie hat Recht – tatsächlich gibt Worf Dinge von sich, die man früher nie von ihm gehört hätte, und er zeigt auch Handlungsweisen, die sein alter Ego zu konterkarieren scheinen. Dies fängt bereits bei seiner bemerkenswerten Selbstvorstellung an.
„Ich bin Worf. Sohn des Mogh. Aus dem Hause Martok. Sohn des Sergey, aus dem Hause Rozhenko. Fluch der Duras-Familie. Schlächter von Gowron. Ich habe Kamillentee zubereitet. Trinken Sie ihn mit Zucker?“ (Worf in PIC 3×03)
Alleine in diesen wenigen Sätzen fallen mehrere markante Punkte auf:
- Identifizierte sich Worf früher maßgeblich über seinen leiblichen Vater Mogh, umarmt er das Erbe seiner belarussischen Adoptiveltern nun gleichermaßen. Zudem nennt er seine Zugehörigkeit zum Haus des Martok, mit dem ihn eine einzigartige Freundschaft verbindet. Dieses Dreigestirn von Verbindungen macht deutlich, dass der ‚neue‘ Worf sich nicht mehr nur auf eine Wurzel stützt. Vielmehr hat er erkannt, dass Blut- und Abstammungslinien für die Prägung eines Lebens nicht alles entscheidend sind, sondern mindestens genauso sehr Liebe und Freundschaft zählen. Letzteres hat er gerade von Sergey und Helena Rozhenko erfahren, und er ist ihnen zutiefst dankbar dafür.
- Worf legt Wert darauf, herausragende Kämpfe bzw. Siege gegen prominente klingonische Widersacher in seine Selbstpräsentation einzubauen. Im Sinne von Trophäen geht dies konform mit dem Teil seiner Identität als Krieger. Allerdings handelte es sich sowohl bei Duras als auch Gowron um Personen, die Worf persönlich tief verletzt (Entehrung auf Basis einer Lüge, Mord an K’Ehleyr) und sich im Sinne aller Klingonen als gänzlich unehrenhaft entpuppt haben (Pakt mit den Romulanern, Inkaufnahme unnötiger Toter und einer drohenden Niederlage gegen das Dominion zwecks eigenem Machterhalt). Indem Worf darauf hinweist, sie bezwungen zu haben, macht er zum einen klar, persönliche Genugtuung erlangt zu haben, zum anderen aber auch dem Kodex wahrer Ritterlichkeit Genüge getan zu haben. Und nebenbei kann er sich natürlich damit schmücken, seine herausragenden Kampfkünste zu dokumentieren. Sieg auf ganzer Linie.
- Der Bruch nach dem ‚Fluch der Duras‘ und dem ‚Schlächter Gowrons‘ könnte nicht größer ausfallen: Sieh einer an, Worf hat Kamillentee zubereitet. Dass er hierfür eine Vorliebe entwickelt hat, ist für uns neu. Kamillentee ist nach Pflaumensaft das zweite irdische Getränk, das er für sich entdeckt hat. Doch Kamillentee steht auch für Beruhigung und Entspannung; dies klingt eher vulkanisch als klingonisch. Dass Worf Musiker zudem fragt, ob sie den Kamillentee mit Zucker trinkt, offenbart einen Sinn für Feinheiten, den der ‚alte‘ Worf nie gezeigt hätte. Er hätte es wohl als „verweichlicht“ empfunden, sich bei jemandem nach dessen Zuckervorlieben im Tee zu erkundigen. Und überhaupt: Wieso sollte ein Klingone zum ohnehin zutiefst unklinognischen Kamillentee auch noch Zucker nehmen? Ist hier vielleicht sogar skurriler Humor am Werk?
Was er in seinem kurzen, knapp gehaltenen Selbstportrait aufführt, findet im weiteren Verlauf der Staffel anhand von Worfs praktischen Verhaltensweisen seine Entsprechung. Sein Zwischenweltler-Selbst hat sich eindeutig verfestigt; Worf steht zu jeder Facette, die ihn ausmacht. In ähnlicher Weise wie er mit Blick auf seine Wurzeln Frieden mit allem gemacht hat, hat er hinsichtlich seines Gemüts zu einem inneren Ausgleich gefunden, so zumindest suggeriert er es.
„Ich habe gelernt, dass man auf Ruhe genauso Zugriff haben muss wie auf Feuer. Ich habe, wie die Menschen zu sagen pflegen, an mir gearbeitet.“ (Worf in PIC 3×03)
„Sie werden es nicht glauben, aber dieser Klingone hier, der meditiert jetzt.“ – „Den größten Vorteil erzielt man mit der Kampfhaltung, die man in seinem Geist einnimmt.“ (Raffaela Musiker und Worf in PIC 3×06)
Worf ist es wichtig, das ihm angeborene Temperament und damit eine latente Reizbarkeit mit Kontemplation zu kühlen. Deshalb hat er sich der Kunst der Meditation verschrieben und praktiziert diese regelmäßig; auch der bereits erwähnte Kamillentee mag hierbei hilfreich sein. Er hört nicht mehr nur klingonische Opern, jetzt sind auch menschliche Opern Teil seines Repertoires. Louis Hector Berlioz‘ Les Troyens (vermutlich hat er die Oper durch Picard kennengelernt; VIII: Der Erste Kontakt) hilft ihm, in sich hineinzuhorchen und sich zu sammeln. Und so kann er im einen Moment heißblütige Kämpfe mit seinem neuen Kur’leth-Schwert ausfechten und die klingonische Wesensart über den grünen Klee loben („Klingonen enttäuschen nie!“), um direkt darauf anzufangen zu meditieren und sich seiner menschlichen Seite zuzuwenden, indem er z.B. jemanden umarmt oder Worte des Trostes spricht. Tatsächlich scheint Worfs innere Verfassung derart tiefenentspannt, dass er selbst in angeschossenem Zustand nach einem Gefecht mit Borg-Drohnen noch auf der Brücke der Enterprise-D einschlafen kann (PIC 3×10).
Im Lichte all dessen, was wir sehen, scheint Worf tatsächlich das Kunststück vollbracht zu haben, seine Wesensmerkmale in Ausgleich zueinander zu bringen und somit die Teile seiner schillernden, zuweilen widersprüchlichen Identität versöhnt hat. Womöglich ist dies die konsequente Weiterentwicklung dessen, was einst Worfs Ziehvater Sergey Rozhenko in einer Unterhaltung mit Guinan ansprach.
„Wir haben nichts Besonderes gemacht. […] Wir wussten, es wird nicht leicht für ihn. Ohne andere Klingonen aufzuwachsen, an denen er sich orientieren kann. Wir hatten nur die Möglichkeit, ihn sein Wesen selbst erforschen und entdecken zu lassen.“ (Sergey Rozhenko in TNG 4×02)
Vieles spricht dafür, dass die Rozhenkos die wahren Weichensteller jenes Mannes wurden, der in der Lage war, eine Synthese seiner inneren Welten zu erreichen und jemand wahrhaft Eigenes zu werden. Vergessen wir aber zugleich nicht, dass Worf in seinem Leben tiefe Verwundungen und Verluste erlitt, die ihn nachhaltig zeichneten. Dass er es vollbrachte, durch diese überaus harten, entbehrungsreichen Zeiten zu gehen, kennzeichnet ihn als Überlebenskünstler. Und vielleicht ist ein Teil dieses Triumphs über Schmerz und Leid, dass er sich jene veränderte Lebenseinstellung aktiv zurechtgelegt hat.
Ist Worf tatsächlich Pazifist geworden oder verbirgt sich etwas anderes dahinter?
Um alles bisher Genannte noch zu toppen: Worf kokettiert in Season drei auffällig damit, dass er sich im Zuge einer „Selbstevaluation“ angeblich eine pazifistische Grundhaltung zugelegt habe – nur um dies in bestimmten Situationen durch seine Taten eindrucksvoll zu konterkarieren. Man denke an sein erstes Auftauchen, als er Raffaela Musiker vor Sneed rettet und den Ferengi eben mal enthauptet (PIC 3×02). Was also steht hinter Worfs vermeintlichem Pazifismus? Ich sehe prinzipiell drei Möglichkeiten:
Worf würde gerne Pazifist sein, schafft es aber (noch) nicht. Tatsächlich ist sein Vorgehen im Kampf gegen Feinde wesentlich kompromissloser und brutaler als noch in TNG oder DS9. Es ist v.a. voreilig, wenn er mögliche Informanten kurzerhand zur Strecke bringt, ohne sie im Vorfeld wenigstens einmal zu verhören. So macht er nicht nur Sneed buchstäblich einen Kopf kürzer, sondern zeigt auch die Tendenz, sämtliche Wechselbälger, denen er begegnet, allzu rasch zu eliminieren – mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Eingedenk dieser Beobachtung ist Worf alles andere als ein Pazifist, dafür ist er in hohem Maße durch die berühmten „aggressiven Tendenzen“ gezeichnet (IX: Der Aufstand). Offenbar versucht er, diese in seinem Innern brodelnde Natur durch Meditations- und Verständigungsphilosophie einzuhegen, doch es scheint in extremen Momenten nicht immer zu gelingen, sie auszugleichen. Die Extrempole seines Charakters scheinen jeweils weiter außen zu stehen als noch in TNG oder DS9.
Worf nutzt seine angeblich geläuterte Haltung mehr aus taktischen Gründen. Wir sehen dies insbesondere in der Verhörszene mit Titus Rikka, wo er die Macht der Psychologie für sich zu nutzen versteht, indem er eine Art Good Cop, Bad Cop-Spiel mit Raffaela Musiker eröffnet (PIC 3×03). Hier nutzt er Musikers Impulsivität, um einen Gegenpart einzunehmen, und behauptet frei heraus, dem Kurs der Gewalt abgeschworen zu haben („Solche Dinge tue ich nicht mehr“).
Worfs angeblicher Pazifismus ist Ausdruck seines ganz eigenen trockenen Humors, an dem der Klingone ganz eindeutig im Laufe der Jahre eifrig gearbeitet hat. Denn seine Spitzen und Neckereien sind nun erheblich häufiger und treffsicherer als in der Vergangenheit. In mehreren Szenen scheint es, dass Worf es regelrecht genießt, seine Mitmenschen mit seinem angeblichen Lebenswandel zu verblüffen und zum Narren zu halten. Besonders sichtbar wird dies beim Zusammentreffen mit William Riker. So lässt Worf ihn wissen: „Dieser Tage ziehe ich den Weg des Friedens den des Kampfes vor.“ Riker ist beinahe schockiert über Worfs vermeintliche 180-Grad-Wende, weiß zunächst gar nicht damit umzugehen (PIC 3×06). Wenn man sich nicht mal mehr auf die Konstante Worf verlassen kann, woran soll man sich dann überhaupt noch orientieren? Der Klingone scheint zudem eine Vorliebe dafür entwickelt zu haben, in der Tradition eines Mister Miyagi Weisheiten für den Schnellverzehr von sich zu geben („Verströmen wir freundliche Energie“). Es würde nicht überraschen, wenn er immer ein paar Glückskekse bei sich hat.
Es erscheint nahe liegend, dass alle drei genannten Punkte zutreffend sind. Vor allem Worfs Hinwendung zu ironisch-sarkastischen Kommentaren erscheint mir ein vielversprechender Erklärungsansatz, denn in dieser Hinsicht hat er sich tatsächlich am stärksten verändert. War er in den Kinofilmen noch oft das Zielobjekt von Rikers Sticheleien („Sie wissen doch noch, wie man Phaser abschießt?“; „Ihr Klingonen macht keine halben Sachen, was?“), dreht er den Spieß nun kurzerhand um. Der ‚neue‘ Worf weiß sich schlagfertig, doch niemals verletzend zu wehren, und davon nimmt auch Riker Notiz. Ein spezieller Höhepunkt ist, als Worf an Bord von Vadics Shrike Riker und Deanna Troi aus ihrer Gefangenschaft befreit und letzterer sogleich auf recht schmalzige Weise den Hof zu machen beginnt. Er wählt dabei Worte, die er in TNG nie gebraucht hätte. Auch dies scheint ein bewusster Pfeil zu sein, den er in Richtung Riker abschießt, denn dieser fragt ihn daraufhin: „Ist das eine Rettungsmission oder die Fortsetzung der Folter?“ (PIC 3×08) Die kurzen, aber sehr unterhaltsamen verbalen Schlagabtausche zwischen beiden alten Freunden gehören in der Tat zu den Highlights der dritten Staffel. Frei nach dem Motto ‚Was sich liebt, das neckt sich‘, wirken Worfs und Rikers gegenseitige Spitzen wie verkappte Liebkosungen. Auch bei seinem Teaming-up mit Raffaela Musiker lässt sich Worf immer wieder zu Witzen der ganz eigenen Sorte hinreißen, die zwar an den Mann aus TNG und DS9 erinnern, aber eine neue Qualität haben. So lässt er Musiker beispielsweise wissen, Enthauptungen fänden nur mittwochs statt, und sieht es überhaupt nicht ein, seine überaus auffällige „Freizeitkluft“ gegen etwas Unauffälligeres zu tauschen (PIC 3×03). Auch in Sachen Übertreibung und Dick-Auftragen hat Worf offensichtlich trainiert („Ich bin ein Meister in Kahless‘ Technik der Pulsabsenkung.“). Bei der Wiedervereinigung mit der alten TNG-Crew lässt sich Worf vor lauter Freude zu einer unvergesslichen Offenbarung hinreißen:
„Ich habe jahrelang unzählige Feinde getötet und darüber nachgedacht, Ihnen allen deren Köpfe zu schicken. Aber davon wurde mir abgeraten, weil das wohl…passiv-aggressiv wäre.“ (Worf in PIC 3×08)
Fazit: Worf erhält ein Update
Worf hat im Laufe von fast vier Jahrzehnten Star Trek erhebliche Veränderungen durchgemacht. Dass ein Mann, der anfangs hin und her gerissen schien zwischen den Welten seiner Erziehung und Geburt, im Zuge seines eigenen Reifungsprozesses langfristig Frieden mit sich schließt, war bereits in DS9 deutlich erkennbar. In PICARD allerdings sehen wir, dass diese innere Versöhnung mit seinen unterschiedlichen Wesensmerkmalen und Herkünften ein neues Level erreicht hat. Obgleich uns viele Hintergründe zu Worfs stark verändertem Lebenswandel und den biografischen Stationen seit dem Ende von Nemesis verborgen bleiben, erscheint die Weiterentwicklung insgesamt organisch und plausibel. Worf, der ewige Mann zwischen den Stühlen, ist vollends im Reinen mit sich; er ist stolz und zufrieden mit der Person, die er im Zuge eines überaus wendungsreichen und herausfordernden Lebenswegs wurde. Ganz sicher ist er – entgegen seiner Behauptungen – kein vollendeter Pazifist, doch das weiß er vermutlich allzu gut selbst. Er hat sichtlich an seinem Humor und Temperament gearbeitet und versteht sich darauf, psychologische Mittel im Kampf gegen seine Widersacher ins Feld zu führen. Zugegeben, gänzlich ohne Witz war Worf zwar noch nie, aber in PICARD sind seine Pointen so punktgenau wie seine Hiebe mit dem neuen Kur’leth-Schwert.
Was die Selbstcharakterisierung des ‚neuen‘ Worf betrifft, bleibt neben seiner eindrucksvollen Vorstellung gegenüber Musiker v.a. eine Stelle in der Staffel in Erinnerung. So sagt der Klingone von sich:
„Ich bin jetzt weiser. […] Dinge ändern sich mit der Perspektive. […] Lasst Euch von einem erfahrenen Krieger sagen: Der Zorn ist unser Feind. Da sind wir alle gleich, was das betrifft. Und es gibt nur wenige Kämpfe, für die es sich zu sterben lohnt.“ (Worf in PIC 3×03)
Der Worf aus früheren Tagen hatte kein Problem damit, sein Leben jederzeit im heldenhaften Kampf zu lassen. Was konnte es Besseres geben? Doch der gereifte, ältere Worf will leben. Er hat jetzt mehr Abstand zu sich selbst gewonnen und sieht sich dadurch tatsächlich aus einem neuen Blickwinkel. Das hat ihm erlaubt, Fähigkeiten und Eigenschaften zu erlangen, die wir früher nicht an ihm kannten.