Steckbrief
Vorangegangene Serie(n): TNG (Season 1 – 7)
Auftauchen in PICARD: Staffel 2 & 3
Spezies: Angehöriger des Q-Kontinuums
Geboren: unbekannt, vermutlich vor Äonen
Eltern: unbekannt, vermutlich keine
Rolle in PICARD: (ehemaliger) Ankläger des Q-Kontinuums im Prozess gegen die Menschheit; passionierter Störenfried
Kind(er): Q Junior (VOY 3×11; 7×19)
Schauspieler: John de Lancie
Im Laufe der sieben TNG-Jahre tauchte der ebenso allmächtige wie unverfrorene Q insgesamt acht Mal an Bord der Enterprise auf – Situationen, die zumeist große Herausforderungen und Probleme für Captain Jean-Luc Picard und seine Crew bedeuteten. Und immer, wenn die Enterprise-Besatzung annahm, sie habe sich auf das Verhalten des omnipotenten Kontinuumsquerulanten eingestellt, belehrte dieser sie eines Besseren. Q passte selten ins Schema. Er verfolgte nicht immer dieselben Absichten bei seinen verschiedenen Besuchen, war nicht von denselben Zielen bestimmt. Er sprach nur selten über seine genauen Motive und die Hintergründe seiner Visiten, aber wer ein wenig zwischen den Zeilen las, der konnte mindestens drei verschiedene Rollen ausmachen, in die Q bei seinen Abstechern auf das Flaggschiff der Sternenflotte schlüpfte. Ein paar Gedanken hierzu.
Q als Ankläger, Richter und Vollstrecker
In Der Mächtige/Mission Farpoint (TNG 1×01; 1×02) lernten wir Q erstmals kennen. Es gab einen schrillen Lichtblitz, und er war da. Das Erste, was man über ihn lernte, war, dass er sich gerne in Schale warf und Kostüme liebte. Hier offenbarte er sich Picard und der Enterprise-Crew als entsandter Repräsentant einer Spezies, die sich als Q-Kontinuum bezeichnet. Das Kontinuum ist ein extradimensionaler Lebensraum, den der menschliche Verstand nicht zu begreifen imstande ist (VOY 2×18). Für die Q haben Zeit und Raum keine Bedeutung, weswegen sie sich ohne Verzögerung von jedem beliebigen Ort (und jeder beliebigen Zeit) des Universums zu einem anderen transportieren und die Physik des Alls in nahezu grenzenloser Weise manipulieren können. Aufgrund ihrer omnipotenten Begabungen nehmen die Q es sich heraus, andere Völker nach ihren (evolutionären) Qualitäten zu beurteilen und ggf. korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Will heißen: im Extremfall eine ganze Spezies aus der galaktischen Geschichte verschwinden zu lassen. Picard wurde vom Kontinuum als Vertreter der Föderation im Allgemeinen und der Menschheit im Speziellen auserkoren und buchstäblich vor Gericht gestellt. Q trat ihm dort in der Rolle des Anklägers und (potenziellen) Vollstreckers gegenüber, personifiziert durch eine Art Richter Gnadenlos im Rahmen eines Schauprozesses der postatomaren Schreckenszeit nach dem Dritten Weltkrieg. Dieses Setting war eine sorgsam gewählte Symbolik, um Picard die ihm zur Last gelegte „barbarische und primitive Wildheit der Menschheit“ vor Augen zu führen. Q machte ihnen den Prozess. Er überzog die Erdlinge mit schweren Anschuldigungen und Vorwürfen. So unterstellte er der Menschheit, ihre niederen Instinkte nie abgelegt zu haben, sondern derart grausam zu sein, dass sie sich nicht weiter im Weltraum ausbreiten dürfe. Q rief eine Reihe großer Verbrechen aus der Geschichte der Erde in Erinnerung und hielt Picard vor, dass die Terraner im Grunde ihrer Natur keine andere Entwicklungsstufe erreicht hätten als in der Urzeit, da sich die Menschen über das Bild ihrer Stammesgöttinnen massakriert hatten. Wir sahen, wie Q den harten Hund gab. Dazu gehörte auch, ihm widersprechende Personen (Lieutenant Torres, Lieutenant Tasha Yar) zu ermorden, nur um sie daraufhin wieder zum Leben zu erwecken, um zu demonstrieren, dass er tun konnte, was immer ihm beliebte.
Picard stimmte dem omnipotenten Wesen zu, dass die Beschuldigungen in Bezug auf die frühere Menschheit zutrafen. Seitdem, so wandte er ein, hatte man aber erhebliche Fortschritte gemacht. Der Captain der Enterprise trat Q entgegen und erklärte ihm, eine selbstgerechte Lebensform zu sein, die alles verfolge und verdamme, was sie nicht begreife oder tolerieren könne. Dann wurden Picard und seine Offiziere der prinzipiellen Grausamkeit der menschlichen Spezies angeklagt.
„Jetzt werden Sie sich zur Anklage äußern. Sie lautet: Sie sind eine ungewöhnlich wilde Rasse.“ – „Ungewöhnlich wild kann vieles bedeuten. Ich äußere mich nur zu spezifischen Anlagen.“ – „Wollen Sie tatsächlich, dass die Hässlichkeit der menschlichen Rasse hier enthüllt wird? Der Wunsch sei Ihnen gewährt, Sie Narr.“ (Q und Jean-Luc Picard in TNG 1×01)
Picard wurde gezwungen, auf ‚schuldig‘ zu plädieren, da man ihn erpresste. Er wollte dies jedoch nur auf vorläufiger Basis gelten lassen. Vielmehr verlangte er, dass die Menschen von heute nach ihren Taten beurteilt werden sollten. Er schlug vor, das Kontinuum solle ihn und seine Leute testen. Q fand diesen Gedanken reizvoll und erklärte sich bereit, die Enterprise ihre erste Mission beginnen zu lassen, welche sie zur entlegenen Farpoint-Station führte. Wie sich herausstellte, wurde diese vom Kontinuum als erster Prüfstein ausgewählt. Im weiteren Verlauf gelang es Picard und seiner Besatzung, das Rätsel um die eigentümliche Station der Bandi lösen. Diese hatten eine Lebensform mit gestaltwandlerischen Fähigkeiten dazu gezwungen, Form und Output einer komplexen Raumstation anzunehmen. Kurz nach der Entdeckung des Wesens erlebte die Enterprise die Ankunft des Partners dieser Lebensform, welcher die alte Bandi-Stadt zerstörte, um das andere Wesen zu befreien. Picard entschloss sich, nicht einzugreifen, auch wenn Q versuchte, ihn zu einer anderen Vorgehensweise anzustacheln. Da Picard die Farpoint-Mission erfolgreich bestand, ließ Q die Menschheit fürs Erste ziehen, wiewohl er ankündigte, in Zukunft gelegentlich mal vorbeischauen zu wollen. Am Ende der sieben TNG-Jahre schlüpfte Q dann einmal mehr in die angestammte Richterrolle, weil das Kontinuum beschlossen hatte, den Prozess gegen die Menschheit wieder aufzunehmen (TNG 7×25; 7×26). Picard wurde erneut vor eine große Prüfung gestellt – die ganz wesentlich darin bestand, ein von ihm verschuldetes temporales Paradoxon zu erkennen –, welche er allerdings meistern konnte.
„Die Anomalie, mein Schiff, meine Crew… Ich vermute, Sie machen sich sogar um Ihre Fische sorgen. Nun, wenn es Sie beruhigt: Sie haben schon wieder mal die Menschheit gerettet.“ (Q in TNG 7×26)
Doch wer konnte schon sagen, wie es mit dem Verfahren gegen die Menschen in Zukunft weitergehen würde? Hatte Q ihm nicht deutlich gemacht, dass der Prozess nie enden würde?
Q in ‚privater‘ Mission – Lektionen verpassen und Lektionen beherzigen
Abseits der Pilot- und Schlusszweiteiler, in denen Q klar eine offizielle Rolle im Namen seines Kontinuums einnahm, waren die Hintergründe seiner übrigen Auftritte an Bord der Enterprise erheblich zwiespältiger. Man nehme z.B. die Folge Rikers Versuchung (TNG 1×10), in der man zumindest vermuten konnte, dass Q hier noch als Akteur des Kontinuums agierte, indem er Picards Nummer Eins, Commander William Riker, einer Verlockung aussetzte (nämlich selbst allmächtig zu werden). Immerhin sprach er immer von „wir“ und „uns“, wenn er ein Interesse für die Menschheit bekundete. Allerdings zeigte Q bereits in dieser Episode ein deutlich höheres Maß an eigener Involviertheit als etwa in Der Mächtige/Mission Farpoint, wo er noch stark distanziert und unnahbar erschien. Es schien ihm beinahe Spaß zu machen, sich bei Picard und Co. ‚auszutoben‘. Sein übereilter Abgang, nachdem Rikers Versuchung gescheitert war, legte zumindest ein gewisses übertriebenes Eigenengagement bei seiner Befassung mit der Enterprise-Besatzung nahe.
Spätestens ab Zeitsprung mit Q (TNG 2×16) in der zweiten Staffel wurde dann jedoch unverkennbar, dass der omnipotente Störenfried nicht länger auf Geheiß seines allmächtigen Volkes agierte, sondern mitunter buchstäblich auf eigene Faust. Im Dialog mit Picard brachte er es sogar expressis verbis zur Sprache. Er bezeichnete sich selbst als „heimatlos“ und räumte ein, er habe sein Kontinuum bis auf weiteres verlassen müssen. Die Ursachen hierfür wurden nicht genauer erläutert, doch gerade vor dem Hintergrund der vielen späteren Streiche, die Q sich noch leisten würde, erschien es naheliegend, dass er sich innerhalb des Kontinuums erste schwere Probleme eingehandelt hatte. Guinan machte zum ersten Mal einen massiven Kontrast zwischen Qs Volk und Q selbst auf, wenn sie bemerkte: „Nicht alle sind so wie er. Viele sind ausgesprochen respektabel.“ Als Q dann überraschend den Wunsch äußerte, sich der Mannschaft der Enterprise anschließen zu wollen, war Picard endgültig perplex. Nach den zurückliegenden Erfahrungen traute er Q nicht über den Weg, war sich nicht sicher, ob er wieder Zeuge eines seiner Spielchen wurde. So dauerte es nicht lang, bis Picard Qs Bitte zurückweisen musste. Qs Reaktion erschien überaus entlarvend: Er wirkte auf geradezu persönliche Weise gekränkt und verärgert. Kurz darauf warf er die Enterprise in die Flugbahn der Borg und gab sich erst wieder einigermaßen versöhnlich, als Picard im Moment größer Not einzugestehen bereit war, ihn zu brauchen. Obwohl viele Hintergründe zu Qs Verhältnis zum Kontinuum höchst schleierhaft geblieben sind (VOY würde hier versuchen, für etwas mehr Klarheit zu sorgen), war in den frühen TNG-Jahren erkennbar, dass der mächtige Störenfried zwischen Rikers Versuchung und Zeitsprung mit Q einen Sinneswandel erfahren haben muss. Er verlor seine Distanz und entwickelte ein ausgeprägtes persönliches Interesse an Picard und seiner Crew. Fast wurde man das Gefühl nicht los, er wünschte sich von Picard Wertschätzung und Anerkennung, etwa indem er sich als Fremdenführer durch die Galaxis anbot.
Die Fortsetzung und Steigerung von Qs ‚Verbannung‘ aus dem Kontinuum führte uns dann Noch einmal Q (TNG 3×13) in der dritten Season vor Augen. Nie wieder wurde Q in TNG so sehr im Gegensatz zu seiner Heimatdimension präsentiert wie in dieser Folge. Es stellte sich nicht nur heraus, dass Q zahlreichen Völkern ausgesprochen üble Streiche gespielt hatte, um sich am Schaden der anderen zu erfreuen, sondern auch innerhalb des Kontinuums galt er offenbar als derartiges Enfant terrible, dass ihm letztlich sogar die Kräfte entzogen wurden – die härtestmögliche Bestrafung, die für ein Wesen dieser Spezies überhaupt vorstellbar ist. Q entschied sich dafür, zu einem Menschen gemacht zu werden und wurde auf der Enterprise von seinem Volk zurückgelassen. In der Folge war Q plötzlich auf diejenigen angewiesen, denen er schon so viel Kummer und Leiden bereitet hatte, und es war nicht selbstverständlich, dass ihn Picard und seine Leute aufnahmen, ohne auch nur die geringste Genugtuung für sein Schicksal zu zeigen oder das Bedürfnis, es ihm heimzuzahlen. Dies würde die Enterprise-Besatzung in seiner Wahrnehmung noch weiter wachsen lassen.
Ohne seine Kräfte begann Q zu erkennen, dass er „vor allem Angst“ hat. Picard gestand er in einem Anflug von Sentimentalität sogar: „Sie sind im ganzen Universum das, was einem Freund am nächsten kommt.“ Und mehr noch: „Je mehr ich lerne, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass ich nie ein guter sein werde.“ Qs Selbsterkenntnis erschien aufrichtig, denn er hatte unmittelbar erlebt, wie sich der Android Data bereitwillig und selbstlos einer großen Gefahr aussetzte, um ihn zu retten (und zwar vor einem Volk, das Q in der Stunde seiner größten Verwundbarkeit die wohl verdiente Vergeltung zukommen lassen wollte). Q begann zu erkennen, dass Allmächtigkeit womöglich sogar ein Hindernis ist, um die ‚wahre‘ Existenz und das Leben an sich begreifen und wertschätzen zu können. Allmächtigkeit hatte die Spezies der Q zwar unangreifbar gemacht, jedoch zugleich an einen Punkt gebracht, in der sie zwischenmenschliche Bindungen und Freundschaften oder auch die Angewiesenheit auf Kooperation nicht mehr brauchten – sie lebten den puren Egoismus in einer Dimension, in der es keine Veränderung und keinen Fortschritt mehr gab. Eine Gesellschaft, die sich selbst für das Höchste hielt, im völligen Stillstand. Genau diese Art von Existenz begann Q, selbst wenn er es nicht so explizit gesagt haben mag, allmählich zu hinterfragen.
Es darf angenommen werden, dass die Zeit als Mensch bei Q nachhaltige Spuren hinterlassen hat. Denn ab jetzt war ein persönliches Band zwischen ihm und Picard erkennbar, wenngleich das nicht ausschloss, dass Q auch schon mal vorbeischaute, um sich einfach seinen zynischen Spaß zu gönnen. Man denke hierzu an sein Auftauchen in Staffel vier, wo er Picard kurzerhand Strumpfhosen verpasste und ihn an der Seite seiner Führungsoffiziere in den Sherwood Forrest teleportierte (TNG 4×20). Daraufhin suchte er dann für eine Weile das Weite mit Vash, deren rebellische, widerborstige Natur ihn ansprach. Die Beiden sollten später wieder auf DS9 gesichtet werden, wo Q ebenfalls nicht gerade in bester Erinnerung bleiben würde (DS9 1×07). Vermutlich wie nie zuvor zeigte sich die Verbindung zwischen Q und Picard in Willkommen im Leben nach dem Tode (TNG 6×15). Q agierte hier als Picards Advocatus Diaboli, holte ihn von seinem hohen moralischen Ross herunter und führte ihm vor Augen, dass es die mitunter schmerzhaften Erfahrungen und die Makel sind, die eine Person reifen und über sich hinauswachsen lassen – eine Lektion, die bestens zum Sternenflotten-Motto ‚Per aspera ad astra‘ passt. Die persönliche Faszination für Picard und seinen Lebensweg war bei Q nun auf einem echten Höhepunkt angelangt. Q, der selbst so viel über Menschheit und Menschlichkeit von Picard lernte, wollte dem Captain helfen, etwas Entscheidendes über seine eigene Entwicklung zu begreifen. Im Grunde eine Art Steilvorlage für die finale Doppelfolge. In Gestern, Heute, Morgen (TNG 7×25; 7×26) sahen wir Q denn auch gleich in zwei Rollen: wieder in der des Richters, der den Prozess des Kontinuums gegen die Menschheit erneut verhandelt (Vorderbühne), aber daneben auch als Picards Vertrauten, der im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchte, dem Captain zu helfen und seine Erkenntnisse zur Lösung des Zeitparadoxons zu befeuern (Hinterbühne). Hier wurde es offensichtlich: Q war längst zu einem – wenn auch zweifelhaften – Verbündeten geworden, möglicherweise auch teils zu einem verkappten Mentor, dem es ein persönliches Anliegen ist, Picard Einsichten zu seinem eigenen Vorteil zu verschaffen.
„Das habe ich Ihnen zu verdanken. Sie haben mir bei der Bewältigung dieser Situation geholfen.“ – „Ich habe Sie in diese Situation gebracht. Eine Direktive des Kontinuums. Ihnen zu helfen war allerdings…meine Idee.“ (Jean-Luc Picard und Q in TNG 7×26)
Q als Entwickler und Förderer der Menschheit
Dies wirft die Frage auf, ob Q persönlich jemals ein Interesse daran haben konnte, dass die Menschheit vor Gericht gestellt wird. Rückwärtig betrachtet kann man seine Rolle in TNG auch ganz anders lesen. In einer intimen Szene am Ende der Finalfolge riet er Picard:
„Das ist die Art von Erforschung, die Sie anstreben sollten – nicht das Entdecken von Sternen und das Kartographieren von Nebeln. Verlegen Sie sich auf das Erkunden unbekannter Möglichkeiten der Existenz.“ (Q in TNG 7×26)
Q trug zwar noch den Umhang des Richters, aber der Gerichtssaal war verwaist, der Prozess fürs Erste jedenfalls vorbei, er hatte seine Handschuhe abgestreift. Das heißt: Hier sprach nicht mehr der Repräsentant des Kontinuums, Richter Gnadenlos. Sprach hier ein heimlicher Alliierter und Gönner? Ein Lehrmeister der subtilen Botschaften? Diese dritte Rolle bleibt zweifellos die spekulativste, aber es gab immer wieder kleine Versatzstücke in Qs Auftreten, die den Verdacht nährten, dass er einerseits ein ausgeprägtes Interesse an der Menschheit hat und für diese schier unbegrenzte Möglichkeiten der Weiterentwicklung sieht. Das wurde bereits in Rikers Versuchung überdeutlich. Besonders hat Q ein Interesse daran, wie Picard sich als auserwählter Vertreter der Menschheit entwickelt. Bloß: Mit welchem Ziel? Gibt es überhaupt ein Ziel? Q hat diese Frage in der Serie nie beantwortet, aber grübeln kann man darüber. Hat Q etwas mit Picard vorgehabt, und sah er in der Zukunft für die Menschheit eine ganz bestimmte Relevanz oder Aufgabe? In diesem Fall wären all die Konfrontationen, die Provokationen und das vielfache Leiden, das er v.a. durch die Zusammenführung mit den Borg verursacht hat, wohlüberlegte Handlungen gewesen, um den Menschen langfristig zu helfen – und damit womöglich in einem größeren Maßstab der Galaxis. Ist Q also in Wahrheit weniger Prüfer, Ankläger und Richter als Entwickler und Förderer der Menschheit? Ist der Gerichtsprozess vielleicht am Ende weniger ein Strafakt für die „barbarische und primitive Wildheit der Menschheit“, für ihre Unfähigkeit, sich zu entwickeln, als vielmehr ein Katalysator, der Picard und sein Volk darin unterstützen soll, ihre Begabungen zu erkennen und wahrzunehmen?
Man kann nie wissen. Aber besieht man sich die nicht unbedingt positive weitere Entwicklung der Föderationsgesellschaft in PICARD, so kann man zu dem Schluss kommen, dass Qs gelegentliche Versuche, Picards idealisierte Weltsicht anzukratzen, am Ende heilsam gewesen sind. Q wusste vielleicht schon immer recht gut, wie hart es ist, sich selbst nachhaltig und dauerhaft zu ändern und einer aufstrebenden Entwicklungslinie treu zu bleiben, selbst im Fall einer vermeintlich utopischen Zukunftsgesellschaft. Auch nach all seinen Auftritten an Bord der Enterprise bleibt der allmächtige Q – dieses Wesen, das das Göttliche und das Clowneske zusammenführt – ein Mysterium. Eines können wir aber sagen: Nicht nur Jean-Luc Picard hat durch Q jene beschworenen unbekannten Möglichkeiten der Existenz ein Stück weit kennenlernen dürfen. Auch Q selbst durfte in seiner Begegnung mit diesem vornehmen Vertreter der Menschheit eine neue Wirklichkeit erfahren, die ihn geprägt hat. So haben sich zwei fundamental verschiedene Welten aufeinander zu bewegt – zum gegenseitigen Nutzen und Heranreifen. Wenn es etwas gibt, das typisch für Star Trek ist, dann dies.
Qs letzte Reise – ein Trip in Eigenregie?
Wir können also festhalten: Q hatte während seiner Besuche auf der Enterprise verschiedene Hüte auf, und er liebte es, diese Hüte nach Belieben zu wechseln. Dann wurde es still um ihn. Jean-Luc Picard durchlebte nach dem unrühmlichen Ende der Sternenflotten-Rettungsmission eine für ihn überaus schwierige Zeit und sah lange Jahre nichts mehr von seinem alten Widersacher, der ihn auch nicht auf seinem Weingut besuchte. (Wäre etwas Trost nicht nett gewesen?) Erst im Jahr 2401 – und damit drei Dekaden nach ihrem letzten Zusammentreffen – begegnen sie einander wieder. Als Picard nach einer neuerlichen Begegnung mit einem rätselhaft veränderten Borg-Schiff und deren nicht minder eigentümlicher Königin die Selbstzerstörung der Stargazer-A ausgelöst hat, führt Qs unvermittelte Intervention ihn und seine Freunde in eine stark veränderte Version der Gegenwart.
„Ich habe interveniert. Wissen Sie, ich dachte mir neulich: Ich muss Jean-Luc mal wieder sehen. Also habe ich einfach die nächste Explosion aufgesucht.“ (Q in PIC 2×02)
In dieser hat sich die Geschichte vollkommen anders entwickelt; Picard hat nicht den Weg eines friedlichen, moralischen Entdeckers eingeschlagen, sondern ist ein brutaler Unterwerfer freier Völker geworden. Die Föderation heißt nun Konföderation und ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des interstellaren Völkerbundes, nämlich eine von der Menschheit ausgehende Unterdrückungs- und Unterwerfungsmaschinerie, ein „totalitärer Albtraum“, wie Picard es ausdrücken wird. Was kann der auslösende Faktor dafür sein, dass der Lauf der Zeit derart ins Negative eskaliert ist? Nebenbei erkennen wir, dass die Geister von Picard, Seven, Rios, Musiker, Jurati und Elnor per Mentaltransfer in ihre dunklen Ebenbilder versetzt wurden. Für ihre Umgebung scheinen sie die zu sein, die sie sein sollen. Q ist natürlich nicht weit, und als er auftaucht, scheint es zunächst so, als würde er Picard nach längerer Zeit mal wieder einen Streich spielen, ihn auf seine alten Tage testen. Q begrüßt ihn in der veränderten Gegenwart mit folgenden Worten:
„Mein Freund, willkommen am äußersten Ende des Wegs, der nie gegangen wurde.“ (Q in PIC 2×01)
Man mag gar mutmaßen, der neue, nun ernstere und unwirschere Q sei wieder im Dienst des Kontinuums, das sich möglicherweise anschickt, den alten Prozess wieder aufzurollen. Gleich zu Beginn seines Wiedererscheinens weist er Picard darauf hin, er habe ihm doch gesagt, der Prozess der Menschheit gehe nie zu Ende – und Picard sei nicht nur eine Figur als vielmehr „das Schachbrett, auf dem das Spiel ausgetragen wird“ (PIC 2×02). Der Admiral a.D., der nicht mehr die Kraft alter Tage besitzt, droht im Angesicht dieser Eröffnung und neuen Herausforderung zu versteinern. Wieso sollte ihn das Kontinuum wieder mit dem Prozess konfrontieren? Liegt es am Wandel der Föderation, an ihrem und auch seinem Versagen? Picard protestiert, er insistiert, er weigert sich, wieder für die Spielchen des Superwesens herhalten zu müssen. In Anbetracht seines fortgeschrittenen Alters fühlt er sich dem nicht gewachsen. Q lässt sich davon scheinbar nicht beeindrucken. Dann stellt sich jedoch heraus, dass Q sich seinerseits eigentümlich verändert hat und dass bei ihm weit persönlichere, ja regelrecht sentimentale Gründe im Spiel sind. Welche Gründe es auch haben mag: Q sieht dem Ende seiner Existenz entgegen, und im Angesicht dieser Tatsache denkt er entsprechend anders über sich und seine Taten. Teilte er zu Picard am Anfang der Staffel noch kryptisch mit, Buße sei womöglich der Weg für seinen alten Lieblingscaptain, scheint es bei genauerer Betrachtung Q selbst zu sein, der diese Sühnebereitschaft entwickelt hat. Im Dialog mit einer jungen Guinan zeigt sich das überdeutlich.
„Sie glauben, dass ich sterbe. Ich bevorzuge die Vorstellung, ich stünde an der Schwelle zum Unwissbaren. Als ich es das erste Mal gespürt habe, habe ich gedacht: Gut, etwas Neues. Immerhin hat das Unsterblichsein gewisse Schattenseiten. Und so habe ich versucht, hinter all dem einen Sinn zu finden, der mich wie ein wärmendes Feuer umhüllen könnte. […]“ – „Das, was Sie da mit Picard machen… Hoffen Sie so, Ihrem Leben Bedeutung zu verleihen?“ – „Ich bin nun nicht mehr unsterblich. Kann eine Tat ein ganzes Leben wiedergutmachen?“ (Q und Guinan in PIC 2×08)
Picards letzte Begegnung mit Q hält für ihn und seine Begleiter ein Raum-Zeit-Paradoxon der Extraklasse bereit. Was der Omnipotente mit diesem finalen Abenteuer für den gealterten Admiral bezweckt hat, was er ursprünglich plante, was in der Praxis schief ging und wie man seine Raum-Zeit-Intervention deuten kann, ist schwer zu rekonstruieren. Wie ein Fiebertraum überfällt der Gang der Ereignisse Picard und Co., durch den sie regelrecht hindurchstürzen. Vieles, wofür er verantwortlich ist, wirkt ungewohnt chaotisch, so als hätte Q einen Teil der Fäden verloren, die er eigentlich in der Hand halten wollte – ein Umstand, der mit seinem prekären Zustand und seinem nahenden Ende zu tun haben kann wie auch seinem Bedürfnis, alles irgendwie gleichzeitig zu tun. Höchstwahrscheinlich ist er nicht mehr im Vollbesitz jener verschlagenen Genialität, die ihn früher auszeichnete, und so werden wir nie erfahren, ob er überhaupt einen Masterplan hatte und was auf halbem Weg damit geschah. Davon unbenommen tut Q bei genauerer Betrachtung eine ganze Menge:
- Er hilft Picard, die Zukunft, wie wir sie kennen, zu bewahren oder sogar erst herzustellen. Was wäre, wenn es erst Qs Intervention ist, durch die die Föderation und damit eine hoffnungsvolle Zukunft möglich wird? Vielleicht wären sonst die Weichen auf Konföderation gestellt gewesen. Wäre dies nicht eine Ironie im Angesicht der heutigen Krisen und Katastrophen? Was wäre, wenn erst durch Qs Einmischung – der letzte Akt seines galaktischen Bühnenspiels – die deprimierende Entwicklung der Erde (angefangen mit der menschlichen Unfähigkeit, den Klimawandel zu stoppen) abgewendet würde? Q sagt nicht umsonst zu Beginn zu Picard: „Sie sehen die Welt, die Ihresgleichen geschaffen hat, und fragen mich, was ich getan habe?“
- Nebenbei führt Q den alten Picard auf eine Selbstfindungsreise in einen verdrängten Teil seiner Kindheit. Picard wird dadurch sein Schicksal akzeptieren sich von seiner Schuld befreien. Dies wird wiederum die Grundlagen legen, dass Picard der werden kann, der er wurde (ein gewisser Schlüssel, den Picard im Jahr 2024 im Wandfach hinterlegt [PIC 2×09], steht symbolisch dafür).
- Last but not least erweist sich Qs Intervention auch dahingehend als nötig, als durch die Symbiose aus Agnes Jurati und der alternativen Borg-Königin der Boden bereitet wird, um eine verheerende Transwarpanomalie in der Zukunft bekämpfen zu können, die das Leben in der Galaxis bedroht (PIC 2×10).
Aus dieser Warte betrachtet ist Qs Einmischung essenziell für das Zustandekommen der Föderation und ihre weitere Existenz, aber auch für Picard als Persönlichkeit. Q betreibt hier – wie drückte es Guinan aus? – „Geschichte, die sich selbst erfüllt“ (TNG 6×01). Im Dialog mit einer jungen Version der El-Aurianerin sagt Q dann auch bedeutungsschwer:
„Das Gefangensein ist nebensächlich. Es ist die Flucht, die zählt! […] Die Menschen sind alle in der Vergangenheit gefangen.“ (Q in PIC 2×08)
Was meint er damit? Dass die Menschheit die Sünden ihrer Vergangenheit nicht loswerden kann? Dass ohne ein einziges großes Wunder – ohne jemand Übermächtiges (Gott vielleicht?), der den lasterbehafteten Menschen zu vergeben bereit ist – keine Chance auf einen Neuanfang besteht? Ist er dieses Wunder, welches das Gleis in Richtung einer erstrebenswerten Zukunft neu verlegt? Hat Qs Intervention erst die Grundlage geschaffen, damit die Föderation entstehen und die Galaxis gerettet werden kann? Vergegenwärtigen wir uns, dass es sich um eben jenes Wesen handelt, das im 24. Jahrhundert als Chefankläger und Richter der Menschheit auftreten wird. Somit wird Q durch den letzten Akt seiner Auftritte zu seinem eigenen Anfang einer Begegnung mit Picard in ferner Zukunft, einer verworrenen Geschichte wechselseitiger Erkenntnis, die letztlich zur Rettung und Läuterung der Menschheit führen wird. Wenn wir die Geschehnisse der Staffel Revue passieren lassen, entlarvt sich, dass Q womöglich mehr denn je für Picard und die Menschheit tat, und er tat es selbstgewählt, aus freien Stücken. Kein schlechter letzter Lauf für den schelmischen Antagonisten mit der Allmacht, der auf einmal so menschlich und zerbrechlich wirkt. Im Lichte seiner Tat erscheint es nicht übertrieben, Q einen Helden zu nennen.